Die diesjährige Cebit hinterlässt bei den meisten sehr gespaltene Gefühle: richtig neues gab es nicht, da das meiste bereits lange vorher publik gemacht wurde. Andererseits ist es noch immer der Welt größte IT-Messe, trotz 25 % weniger Aussteller, 20 % weniger Fläche und 20 % weniger Besucher. Einige Experten sprechen schon von einer „sterbenden IT-Messe“; andererseits wird die hohe Zahl qualifizierter Gespräche und Geschäftsabschlüsse gelobt. Kurz: die Aussteller sind überwiegend sehr zufrieden entgegen allen Negativzahlen.
Wandel
Dass die Besucherzahlen noch einmal unter den Tiefstand von 2006 sanken, hat sicher mit der derzeitigen Krise in jedweder Form zu tun. Aber auch mit dem Wandel von der ursprünglichen Hardware-Messe zur lösungsorientierten Software-Messe. Dabei kann die IT-Branche durchaus optimistisch in die Zukunft blicken: denn wie soll die Krise (egal welche) ohne funktionierende IT überhaupt bewältigt werden? Und hier besteht sicher noch immer (oder schon wieder) reichlich Nachholbedarf.
Net- & Notebooks
Die Netbooks werden besser; nicht nur in der immer noch recht spartanischen Ausstattung, sondern vor allem in der Akku-Laufzeit. Damit werden sie als Reise-Ersatz für Notebooks immer interessanter: sie reichen für die Verbindung zum Internet und zum E-Mail-Konto zu halten und eine Präsentation geht auch noch darüber.
Die Notebooks werden auch leistungsfähiger: Gerade in Bezug auf Grafikkarten und Schnelligkeit erreichen immer mehr Modelle die Qualifikation für Gamer, werden damit aber auch größer und schwerer. Damit sind sie für „einfache“ Büroarbeiten eher überqualifiziert. Manche Ehefrau oder Freundin wird’s aber freuen – lassen sich doch Notebooks wesentlich einfacher platzsparend in die Ecke stellen als ein Desktop-PC, der in Vollausstattung als Spiele-PC mindestens einen Quadratmeter beansprucht…
Windows 7
Die neueste Version des Betriebssystems der Firma Microsoft scheint das zu sein, was Windows Vista sein sollte: ein ordentliches und solides Betriebssystem. Im Gegensatz zu Vista verzichtet es auf viele (von den meisten als störend empfunden) Abfragen und ist soweit „geschrumpft“, so dass es auch auf Netbooks eingesetzt werden kann. Zur Erinnerung: Vista war dafür zu speicherhungrig.
Die zum Download bereitgestellte Beta-Version überzeugt zumindest bislang. Da es bis zum offiziellen Erscheinungstermin (etwa Oktober 2009) aber noch einige Monate sind, sollten wir auf die ein oder andere kurzfristig eingebaute Überraschung seitens Microsoft leicht skeptisch auf die endgültige Version warten. Und wie es letztlich heißen wird, ist auch noch offen.
Datensicherheit
Sie wurde in vielen Ebenen groß geschrieben: Vorträge, Labors zum zu gucken, Versuchsanordnungen etc. Gemeinsamer Tenor: die meisten Nutzer tun zu wenig, sind nicht sicherheitsbewusst genug, investieren zu wenig in Datensicherung usw.
Auch der Umgang mit den eigenen Daten in entsprechenden Foren (Facebook, Xing, YouTube u.v.a.) ist oft nur mit Leichtsinn zu bezeichnen. Es werden langfristige Folgen nur selten bedacht – berücksichtigt wird nur das „Fun-Element“ im Jetzt.
Für die Datensicherung hat sich aber gerade im Bereich Hardware einiges getan, was auch für kleinere Unternehmen sinnvoll ist und sich auch von den möglichen Kosten im erträglichen Bereich hält. Sogenannte NAS-Laufwerke (Network Attached Storage) werden mit bis zu vier Festplatten angeboten. Dabei handelt es sich um ein Gehäuse, das mittels Netzwerk in die Büroumgebung (ohne Server) eingebunden ist, allen PCs die Daten zur Verfügung stellt und selbsttätig für ein Backup sorgt: RAID 1 bis RAID 5 sind möglich. Bei den meisten Kleinunternehmen würde ein solches Gehäuse mit zwei Festplatten und RAID 1 genügen. Der RAID-Level 1 (Mirroring) ist das gleichzeitige Spiegeln von Schreibvorgängen auf zwei physikalisch vorhandenen Platten. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass beide Festplatten zur gleichen Zeit einen Crash erleiden und wenn eine den Zusammenbruch erleidet, ist die zweite noch voll funktionsfähig.
Die aktuellsten Geräte werden etwa ab April auf dem Markt verfügbar sein – Preise sind noch nicht bekannt.
Gesundheitskarte
Auch dieser Bereich wurde auf der Cebit stark ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Denn eines steht fest: diese Karte wird kommen! Experten beklagen die zu geringe Testphase: Arztpraxen sind Mehrplatzsysteme, getestet wurden überwiegend Einzelplatz-Systeme. Testanwender (Ärzte, Praxis-Mitarbeiter, Patienten) beklagen die Umständlichkeit in der Handhabung, die Langsamkeit in Zusammenarbeit mit dem PC und so insgesamt einen hohen Zeitaufwand. Es könnte also sehr real sein, das die Gesundheitskarte und damit die EDV unsere Verweildauer beim Arzt künftig deutlich erhöht. Fragt sich nur, wann die Forderung kommt, dass die längere Verweildauer von der Krankenkasse zu bezahlen ist.
Datenschutzexperten haben bei diesem Themawohl auch unverändert Zahnweh und Bauchgrimmen. Trotz allen Sicherheitsvorkehrungen, die gerade die Umständlichkeit bei Zugriffen mit der Karte auf sehr persönliche Daten mit bedingen, sind sie unverändert der Ansicht, dass die Daten ungenügend geschützt sind. Penetrations-Sicherheits-Experten bestätigen dies. Diese Experten werden im Volksmund als „Hacker“ bezeichnet, was nicht ganz korrekt ist. „Hacker“ versuchen auf nicht zulässige Weise an Daten zu gelangen und diese dann kriminell zu verwerten; Penetrations-Sicherheits-Experten tun zwar das gleiche, aber im Auftrag von Unternehmen und mit einer präzisen Dokumentation der gefundenen Schwachstellen und Empfehlungen, wie diese beseitigt werden können. Sie sind also die „Guten“.
Neben der Gesundheitskarte werden auch bereits andere Systeme vorgestellt, die in Notfällen vom Patienten gewonnene Daten schnellstens an behandelnde Ärzte übertragen. Aber hier fehlen zum einen die Übertragungswege, die nicht flächendeckend ausgebaut sind (auch wenn die Telekom anderes behauptet) und es wird wiederum von den Datenschützern die notwendige Sicherheit dieser sensiblen Daten bezweifelt.
Fest scheint nur eines zu sein: wir werden in den nächsten Jahren im Gesundheitswesen einen kompletten Umbruch in der Verwaltung der Daten von Papier und Foto zur digitalisierten Welt erleben.
Mobiltelefone
Sie entwickeln sich zum wahren Alleskönner. Telefonieren ist eigentlich nur noch eine unwichtige Nebensache; fast erwartet man, dass dies irgendwann mal wegfällt. Internet-Zugang, E-Mails, SMS, Musik hören, Spielen, dank GPS sofort wissen, welcher Freund sich in der Nähe aufhält, welches Restaurant in der Nähe gerade angesagt ist, welches Kino in der Nähe welchen Film zeigt usw. usw.
Ach so, bevor es zu kurz kommt: auch das Business geht natürlich auf dem „Handy“: Gerade mal die Präsentation aktualisieren und dann los legen – auch dies ist schon machbar. Erste Prototypen mit eingebautem Beamer sind verfügbar. Und spätestens 2012 soll es eine einheitliche Stromversorgung aller Mobiltelefone von jedem Hersteller über den baugleichen Stecker geben (wahrscheinlich Typ Mini-USB). Ab da haben wir vielleicht unser Büro tatsächlich in der Hosentasche.
Webciety
Das Kunstwort aus Web und Society soll nach dem Willen der Cebit-Macher ausdrücken, dass das Internet und alle Lebensbereiche immer stärker eine Berührung miteinander haben. Es gibt in unserer Gesellschaft wahrscheinlich niemanden mehr, der nicht mit Computer zu tun hat und sich dieser – vielleicht auch unbewusst – bedient.
Hier besonders interessant eine neue Suchmaschine „wefind“ (www.wefind.de), die Ergebnisse nicht nur in der gewohnten Auflistung anzeigt, sondern in etwa als Mindmap darstellt. Bei meinem kurzen Besuch auf der Webseite ist mir dies zwar nicht gelungen, aber vielleicht schaffen Sie es ja.
Fazit
Viel Neues und doch nicht so richtig Neues auf der Cebit. Für uns im Bildungsbereich ist ein Trend deutlich verstärkt worden: Wissen wird immer öfter elektronisch vermittelt, sofern es sich um kognitives Wissen handelt. Unternehmen stellen für die Entwicklung solcher Programme große Summen bereit. In den Branchen Automobil wie auch Medizin werden solche Programme bereits verstärkt eingesetzt; andere Branchen ziehen hier nach.
Für das eigene Büro gibt es wenig Neues: leistungsfähigere Notebooks (was vielleicht die Neuanschaffung erleichtert) und die beschriebenen NAS-Laufwerke (was die Datensicherung erleichtert) sind für die EDV-Unerfahrenen möglicherweise eine Erleichterung. Einmal eingerichtet vom Fachmann tun sie automatisch ihren Dienst für lange Zeit.
Und die Zukunft der Cebit? Der Wandel wird vor der Cebit keinen Halt machen. Die „Konkurrenz“-Veranstaltung Systems in München fand im letzten Jahr zum letzten Male statt. Die Messe München will zwar zwei neue und kleinere Veranstaltungen anstelle der Systems platzieren, aber ob das gelingt? Und in wie weit sich die Deutsche Messe Hannover gegen die Abwanderung von Ausstellern z.B. nach Berlin zur Funkausstellung wehren kann, muss auch abgewartet werden. Die Vernetzung von Unterhaltung, Haus und Informations-Technologie schreitet immer weiter voran. Der zentrale Fernseher im Wohnzimmer ist kurz davor, die zentrale Schaltzentrale von der Heizung, über die Musik- und Filmversorgung einzelner Zimmer bis zum Internetzugang der einzelnen Hausbewohner zu werden und übernimmt damit quasi „Server-Funktionen“ für das gesamte Haus und seiner Bewohner.
Und wir? Werden für die neue Technik nicht unbedingt gefragt. Aber noch dürfen wir uns frei entscheiden, was und wie viel wir davon nutzen. Und ich weiß auch noch, dass an den Geräten ein „Aus“-Schalter ist. Und sollte der künftig fehlen, zieh ich den Stecker aus der Dose…