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Problemlösungsprozesse initiieren

Der Erkundungstrip durch die Problematik

Prof. Dr. Falko E. P. Wilms

Umwelt, Organisation und Management sind wertvolle Grundkategorien der kommunikativen Erkundung einer Problematik. Dabei sind erkundete Landschaften, mentale Landkarten und die sie verbindenden Kommunikationen zu unterscheiden.

Der Ausgangspunkt

Das sowohl in Deutsch als auch in Englisch erschienene St. Galler Management-Modell1 versteht Management als kommunikative Gestaltung einer zu verantwortenden (verteilten) Wertschöpfung. Es ist dabei unerheblich

  • ob die Wertschöpfung durch ein Projekt oder einen Prozess generiert wird,
  • ob die Wertschöpfung in komplexen oder trivialen Strukturen erfolgt oder
  • ob die Beteiligten am selben Ort wirken oder in verschiedenen Zeitzonen.

Im Kern geht es um das permanente kommunikative Geschehen des Hinterfragens, Bestätigens, Veränderns oder Verwerfens der aktuell zu verantwortenden arbeitsteiligen Leistungserstellung2, deren Wirkungen und Ergebnisse von Akteuren in der Umwelt ein geldwerter Nutzen zugeordnet wird.3

Kommunikative Perspektive

Die Komponenten des Modells werden bewusst von einer kommunikativen Perspektive zusammengehalten, denn:

  • Nur das, was in die Strukturen und Prozesse der organisationsinternen Kommunikation der Beteiligten eingeht, kann
    – bei vertrauensbildenden Maßnahmen und beim Zeigen der eigenen Vertrauenswürdigkeit wirksam werden.
    – bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der (verteilten) Wertschöpfung wirksam werden.
  • Das Verständnis eines Ausschnitts der Welt ist immer ein Resultat eines kommunikativen Aushandlungsprozesses verschiedener Akteure.     
  • Die Gestaltung von Formen, Strukturen, Prozessen, Plattformen und Kontexten der Kommunikation prägt die Möglichkeiten der Steuerung einer verteilten Wertschöpfung

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Abb. 1: Das St. Galler Management-Modell
Quelle: Eigene Darstellung in sehr enger Anlehnung in Form und Farbe an Rüegg-Stürm/Grand 2015

Das Modell besteht im Kern aus drei aufeinander verweisenden Grundkategorien (Abb. 1):

  • Umwelt4 als das, was kommunikativ für die Wertschöpfung als „bedeutsam“ eingestuft wird und nur im Zusammenspiel mit den Gegebenheiten der Organisation und den derzeitigen Formen des Managements zu verstehen ist (Abb. 2, links).
  • Organisation5 als die kommunikative Verfertigung der Wertschöpfung für Dritte, die nur im Zusammenspiel mit der relevanten Umwelt und mit den derzeitigen Formen des Managements zu verstehen ist (Abb. 2, mittig).
  • Management6 als kommunikative Gestaltung der dynamisch weiterzuentwickelnden Wertschöpfung, die nur im Zusammenspiel mit der relevanten Umwelt und mit den aktuellen Gegebenheiten der Organisation zu verstehen ist (Abb. 2, rechts).

Kernaufgabe ist das permanente Hinterfragen, Bestätigen, Verändern oder Verwerfen der aktuellen Leistungserstellung, um die Wertschöpfung kontinuierlich zu optimieren. Und jede entwickelte Maßnahme ist in seinen Wirkungen für die Umwelt, die Organisation und das Management zu durchdenken.

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Abb. 2: Die drei Schlüsselkategorien und ihr Zusammenspiel im aktuellen St. Galler Management-Modell 
Quelle: Eigene Darstellung in enger Anlehnung in Form und Farbe an Rüegg-Stürm/Grand 2015

Mentale Landkarten

Jedes erarbeitete Verständnis ist ein Resultat eines Aushandlungsprozesses der Gesprächspartner: In gemeinsamen Sensemaking-Prozessen7 untergliedern die Beteiligten ihre individuell aufgenommenen Erlebnisströme in sinnvolle Einheiten, belegen sie mit Bedeutung und ordnen die Resultate in eine miteinander geteilte (mentale) Wissenslandkarte ein.

Die Funktion dieser Prozesse des kommunikativen Sensemakings ist das Weiterentwickeln der gemeinsam benutzten (mentalen) Wissenslandkarte, die die Beteiligten miteinander verbindet und für sie als verbindliches Verständnis der (problemrelevanten) Situation wirkt. Durch sie halten die Beteiligten einen gedanklichen, funktionstüchtigen Kontakt zu „ihrer“ Organisation(seinheit). Störungen dieses Kontaktes bewirken, dass der Betroffene schnell auf seine eigenen, ihm lieb gewordenen individuellen Denkmuster angewiesen ist und das Ableiten übergreifender Handlungen deutlich erschwert wird.

Alle Beobachtungsergebnisse bilden die Beteiligten in einer Art mentaler Landkarte im Gehirn ab. In nicht vorhersagbaren Kommunikationsprozessen des Sensemakings versprachlichen die Beteiligten sich wechselseitig ihre eigenen mentalen Landkarten. Aufeinander verweisende Kommunikationen ergeben dabei im Laufe der Zeit eine gemeinsam getragene Formulierung der durch Beobachtung erlebten Wirklichkeit.

Erkundungstrip durch das Problem

Am Anfang jeder Problemlösung steht die Fixierung der Ist- und der Soll-Situation. Für beides werden eine gemeinsam getragene Formulierung und ein gemeinsames Verständnis benötigt. Die dazu nötige gemeinsame Versprachlichung eigener und fremder mentaler Landkarten (Vorstellungen) gelingt in dem Maße, in dem die Beteiligten von der absoluten „Richtigkeit“ eigener Erlebnisse und Beobachtungen abrücken, eigene mentale Landkarten nicht mit der Landschaft verwechseln.

Der gemeinsame kommunikative Erkundungstrip durch zunächst unbekannte mentale Landschaften hin zu einer gemeinsamen Basis (für spätere Erkundungstrips) ist der Königsweg, Problemstellungen nachhaltig anzugehen und zu lösen.

Das aktuelle St. Galler Management-Modell stellt das permanente Hinterfragen, Bestätigen, Verändern oder Verwerfen der aktuellen Wertschöpfung in den Mittelpunkt und zeigt den Wert (nicht Preis!) der Grundkategorien Umwelt, Organisation und Management in dem kommunikativen Erkundungstrip durch die Problematik hindurch.

Der Autor: Prof. Dr. Falko E. P. Wilms

Ist als Berater & Hochschullehrer unterwegs, leitet das Competence Center of Communication & Collaboration an der FH Vorarlberg in Dornbirn (Österreich) und bietet zahlreiche kurze podcasts an unter: www.youtube.com/c/FalkoWilms

office@falko-wilms.de I www.falko-wilms.de 
falko.wilms@fhv.at | www.staff.fhv.at/wf

___________________________

1 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S.: Das St. Galler Management-Modell, 2. vollst. überarb. u. grundl. weiterentw. Aufl, Bern 2015; dies: The St. Gallen Management Model. English translation of the fourth generation of the German text, Bern 2016
2 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 190.
3 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 34f.
4 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 32.
5 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 64.
6 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 190.
7 Vgl.: Rüegg-Stürm, J./Grand, S., a. a. O., S. 45; Weick, K. E.: Der Prozeß des Organisierens, Frankfurt am Main 1995

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