Monika Molter Monika Molter

Erwartungsabfrage, Input des Trainers (Flip-Chart-Präsentation), Kleingruppenarbeit, Präsentation der Arbeitsergebnisse mit Karten, Mittagspause, ein Rollenspiel, PowerPoint Präsentation des Trainers, Seminarauswertung – wie langweilig. Ein Seminar zum Gähnen! Öde ist dieses Vorgehen nicht nur für die Teilnehmer, auch erfahrenen Trainern kann es passieren, dass sie sich in ihren eigenen Seminaren langweilen.

Wie anders geht es uns doch in einem gut gemachten Hollywood Film. Seine Spannung bezieht der Film nicht aus dem Inhalt als solchem, schon gar nicht aus einem freudlosen Abarbeiten der wichtigsten Aspekte der Story. Wenn der Held am Ende des Films langsam in die rot-goldene Abendsonne reitet, seine Silhouette schließlich verschwindet, dann liegen meist spannende und bewegende Stunden hinter uns. Wir haben mit dem Helden gefühlt, haben seinen Konflikt nachempfunden, uns über seine Widersacher empört, ihn bei seinen Irrungen und Wirrungen mitfühlend begleitet. Für uns war klar, dass der Held etwas unternehmen muss, so konnte es nicht weitergehen. Und wie haben wir gelitten bei seinen untaug­lichen Versuchen, das Problem zu lösen! Wir
haben aufgestöhnt, als plötzlich Wendungen eintraten, die uns überraschten. Schafft es unser Held? Ist er überhaupt auf dem richtigen Weg? Umso größer war unsere Freude, als sich dann endlich eine Lösung abzeichnete und der Held schließlich siegreich, vielleicht auch geläutert, in die rot-goldene Abendsonne reitet. 

 

So oder so ähnlich erzählt Hollywood seine Geschichten. Oder in der Trainersprache: So bereitet Hollywood seine Inhalte auf. Und wie gehen viele Trainer vor? Sie unterscheiden zwischen Einführung, Themenbearbeitung und Abschluss und versuchen in dieses Raster die Inhalte, die vom Auftraggeber genannt werden, unterzubringen. Sie achten dabei vielleicht auf den Methodenwechsel, den Übungsaufbau von leicht zu schwer… Aber ernsthafte Gedanken über die Dramaturgie eines Trainings machen sich nur wenige.

Plot Points für ein spannendes Seminar

Dabei kann man sehr viel von Hollywood Filmen lernen. Sie lehren uns eine Dramaturgie, die beim Publikum Spannung und Betroffenheit erzeugt. Warum also nicht bei der Konzeption eines Seminars Anleihen beim Hollywood Drehbuch nehmen? Nehmen wir z.B. die Drehbuch-Theorie des US-amerikanischen Gurus Syd Field. Er gliedert eine Filmhandlung in drei Akte: Exposition und Anfang, Konfrontation, Auflösung und Ende. Diese Struktur entspricht mehr oder weniger dem Aufbau eines traditionellen Seminars und bringt noch keine entscheidend neuen Aspekte. Spannend für Trainer sind eher Syd Fields Überlegungen zur Einführung von Plot Points. Plot Points sind Wendepunkte in der Handlung: es passiert etwas anderes als das, womit man beim bisherigen Gang der Handlung gerechnet hat. Im klassischen Hollywood Film gibt es vor allem zwei Plot Points, das Grundmuster der dramatischen Struktur nach Syd Field sieht folgendermaßen aus:

 

Die beiden Plot Points am Ende der Akte bringen die Filmhandlung entscheidend voran. Bis zum Plot Point 1 scheint für den Protagonisten noch alles in mehr oder weniger geregelten Bahnen zu laufen, sein Ziel scheint ohne Umstände erreichbar. Doch ganz überraschend taucht ein neuer Gesichtspunkt, ein Ereignis, ein schwerwiegen­deres Problem auf, wodurch das bisherige Vorhaben zu Nichte gemacht wird. Der Verlauf der Geschichte gerät mit dem Plot Point 1 aus den Fugen. Es kommt zu einer Entscheidung, welche den Protagonisten erst richtig in die Probleme führt.

Mit Plot Point 2 wird der Protagonist dann endlich gezwungen zu handeln und die Problemlösung trotz hoher Hürden konsequent in Angriff zu nehmen. Der zweite Plot Point beinhaltet die größtmögliche Steigerung der Spannung im Film.

Beispiel: Seminar zum Thema „Konfliktmanagement“

Es steht z.B. ein Seminar zum Thema „Konfliktmanagement“ an. Erfahrene Trainer können hier schnell auf ein Standartrepertoire an Inhalten (Konfliktmerkmale, -ursachen, -arten, -lösungs­strategien) zurückgreifen und dies methodisch mehr oder weniger kreativ umsetzen. Vielleicht aber kann sich der Trainer auch mal die Frage erlauben:

  • Welchen Plot Point könnte ich in der Einführungsphase meines Seminars einbauen? Welche Wendung könnte ich einführen, die die Teilnehmer überrascht, sie berührt und die sie z.B. motiviert, sich auf die persönlichen Mechanismen im Umgang mit Konflikten einzulassen? Beispiele: n Warum im Seminar z.B. die Teilnehmer nicht überraschen mit einer bekannten Film­sequenz (so löst z.B. Humphrey Bogart seine Konflikte…), die fühlbar macht, wie anstrengend der Umgang mit Konflikten ist bzw. wie lustig unsere oft untauglichen Versuche zur Konfliktlösung sind?
  • Oder irritiert der Seminarleiter lieber mit einer vollkommen neuen Information zum Thema, um die Neugier der Teilnehmer anzustacheln? Er stellt z.B. ganz lapidar als Allheilmittel für den Konflikt die einfache Formel A+K= E vor (Abkürzungen, die die Teilnehmer so gar nicht verstehen können) und erklärt das Seminar als beendet. Im weiteren Verlauf wird dann deutlich, dass diese Formel (Akzeptanz + Konfrontation/ Ansprechen des Konflikts = Entwicklung) ein höchst anspruchsvolles Unterfangen darstellt.
  • Oder er hält eine leidenschaftliche Rede zum Thema „Ich liebe Konflikte“, um die positive Funktion von Konflikten deutlich zu machen.


Wie gestalten Sie Ihren Hook?

Vielleicht auch findet der Trainer die Frage nach dem „Hook“ sinnvoll - in der Filmtheorie eine Einstiegssequenz, die einen besonderen emotionalen Eindruck auf die Zuschauer macht, ein Haken mit dem der Zuschauer geangelt werden soll.

 

Welcher Motor also kann das Seminar gleich zu Beginn in Schwung bringen? Vielleicht ein fulminanter Seminarauftakt im Sinne einer „Publikumsbeschimpfung“, um sofort zu demonstrieren, was ein Konflikt ist und welche starken Gefühle uns dabei bewegen? Oder eine CD, die einen handfesten Streit wiedergibt?

Mit dem zweiten Plot Point (im Seminar am Ende der eigentlichen Übungsphase) stellt sich die Frage nach dem Höhepunkt der Story, dem „Showdown“. Was also sollte der Höhepunkt im Seminar sein?

  • Vielleicht eine originelle Übungssequenz? Vielleicht setzt sich der Trainer (oder ein Teilnehmer) auf den „heißen Stuhl“ und wendet in einem Streitgespräch mit den Teilnehmern bisher erlernte Konfliktstrategien an.

Methodische Kreativität ist in jedem Fall ein nicht unerwünschtes Nebenprodukt der Anwendung der Hollywood Dramaturgie.

Literaturtipps

  • Peter Rabenalt, Filmdramaturgie, Alexander Verlag Berlin-Köln, 2011
  • John Truby, The Anatomy of Story: 22 Steps to Becoming a Master Storyteller, Faber & Faber Leipzig, Auflage First 2008
  • Truffaut, François: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?, Wilhelm Heyne Verlag München 1999

Monika Molter, Dipl.-Soz.-päd.

war als Dipl. Soziologin lange Jahre in der Sozialforschung tätig und arbeitet seit rund 15 Jahren als selbständige Trainerin und Coach für Führungskräfte. Unter dem Motto „Lernen und Veränderung dürfen Spaß machen“ bietet sie auch Train the Trainer Seminare an.

Kontakt:

A?K:T!
Monika Molter
Zonser Str. 60, 50733 Köln
Tel. 0221 3465712
molter.akt@netcologne.de
www.akt-personalkompetenz.de

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