73. Trainertreffen Hannover am 17.06.2005
Median-Hotel, Lehrte

Rangsignale und ihre Dynamik
Dr. Achim Goeres, www.prozessmoderation.de

Trotz schwüler Sommerluft hatten sich rund 40 Teilnehmer nach Lehrte ins Median Hotel begeben.

Einige nutzten die Vorlaufzeit von 17.30 Uhr bis zum Start des Abendprogramms, um schon innerlich anzukommen, Kontakte zu knüpfen oder mit alten Bekannten in Ruhe ein Schwätzchen zu halten.

Um 18:30 Uhr dann begann ein spannender Workshop.

Unser Referent Dr. Achim Goeres aus Berlin hat einen interessanten Lebensweg als Astrophysiker, Profimusiker, Trainer, Berater und Therapeut für Prozessarbeit nach Mindell vorzuweisen. Mit seiner herzlichen und sehr authentischen Art verstand er es schnell, die Teilnehmer in seine Präsentation mit einzubeziehen.

Einstieg war die Frage, wie sich Rangordnungen denn überhaupt definieren. Schnell wurde klar, dass die Ranghöhe über das Zugangsrecht zu den 3 lebenswichtigsten Ressourcen entscheidet: Raum / Zeit (wo ich bin, kann kein anderer sein), „Lebensmittel“ im Sinne von Luft und Nahrung und schließlich dem begehrten „Genpool Sex“ zur Sicherung der eigenen Gene und der Weitergabe des Lebens.

Genpool Sex ? – och nee, ganz harmlos ...

Darüber hinaus, so Achim, gebe es 3 weitere Faktoren, die helfen, an die Grundressourcen zu gelangen und die somit auch rangordnungsbildend seien: Zugehörigkeiten, Fähigkeiten und Besitz. Sind viele dieser Ressourcen bei vorhanden, so bilden sich automatisch Ordnungen, die diesen Zugang regeln. Diese unausgesprochenen Regelungen würden durch nonverbale Absprachen, also durch Kommunikation hergestellt. Sind sie allerseits klar, akzeptiert und anerkannt, herrsche Frieden.

Gibt es Unklarheiten, entstehe Aggression und Krieg.

Um nun zu demonstrieren, wie fein und trotzdem wirkungsvoll diese „Absprachen“ sind, gab uns Achim Goeres eine Übung: Das Thema war „2 Menschen begegnen sich auf der Straße – wer weicht wem aus?“

Hierzu bildeten zwei Stuhlreihen mit den Rückenlehnen zueinander eine schmale Gasse. Jeweils eine Person stellte sich am Ende auf und beide sollten dann durch die Gasse gehen.

Bei Versuch 1 standen sich eine Frau und ein Mann gegenüber und es schien eine nonverbale Absprache zu erfolgen, bevor die beiden losgingen und der Mann Platz machte.

Die Wiederholung des Versuchs ergab eine noch „glattere“ Kommunikation. Die weiteren Versuche brachten andere „Varianten“ zu Tage, die jedoch alle klar machten: auch hier geht es um Rang – wer darf durchgehen oder wer lässt wen passieren. (Vielleicht eine spannende Übung auch manchen unserer Seminare.)

Die Diskussion erhellte unterschiedliche Rangformen: der soziale Rang, der Beziehungsrang und der innere Rang. Diese Ränge wahrzunehmen, deren Konsequenzen zu kennen, äußere und innere Grenzen zu beachten und gegebenenfalls zu überschreiten oder zu öffnen, sei Schlüssel gelungener Kommunikation. Und hier waren wir am Kern dessen angelangt, was Achim Goeres wichtig war, uns zu vermitteln.

So sei z.B. der soziale Rang von großer Bedeutung für die Wahrnehmung. Während „Rangniedere“ Verhalten von Höheren durchaus klar erkennen, sei es für Obere oft schwer, Bedürfnisse, Denkweisen und Verhalten von „Unteren“ auszumachen. So sei es leicht zu beobachten, dass z.B. Vorstände oder hohe Politiker häufig den Kontakt zum „Fußvolk“ und dem Alltagsleben mit seinen Bedingungen für die Allgemeinheit verlören. Aber auch bei uns „Normalos“ funktioniert es wohl so, wie Achims Beispiel illustrierte: Ist hier auch Party?  

Angenommen, Sie gehen auf eine Party, wo 100 unbekannte Leute zu Gast sind. Vielleicht schauen Sie herum, wer für Sie so interessant ist, dass er es wert ist, angesprochen zu werden. (Hoher Wert für Sie, zu überprüfender wert der anderen.)

Plötzlich sehen Sie eine wirklich attraktive Person! In diesem Moment ändert sich vermutlich Ihre Wahrnehmung, und Sie sortieren eher, wie attraktiv die anderen sind und gehen leichter in das Gefühl von Konkurrenz: wo bin ich unterlegen, wo überlegen? Und wenn es dann zu einem Gesprächskontakt mit dieser attraktiven Person kommt, wie sehr bemüht sich wir dann plötzlich, Gemeinsamkeiten zu entdecken und mit dieser Person auf einer Ebene zu sein? So wechselt je nach Kontext unsere Wahrnehmung von uns und anderen, gibt es auch andere Do’s und Don’ts, andere Grenzen.

... spannend ...

A propos Grenzen: Plötzlich scheint es auch deutlicher zu werden, dass wir innerlich über zwei verschiedene Bereiche verfügen: das sogenannte Primäre und das Sekundäre. (Und hier gelangen wir in das Themengebiet der Prozessmoderation nach Mindell).

Das Primäre, laut Terminologie, ist der mir bekannte und angenehme Teil meiner Person, das Sekundäre nicht nur der „Blinde Fleck“, sondern auch alles Abgespaltene, alles, was mir unangenehm ist, peinlich, störend usw. Je größer der sekundäre Bereich, desto instabiler sind wir, so Achim Goeres, und schlägt an dieser Stelle den Bogen zu unserem Berufs-Alltag:

Die innere Haltung eines Trainers sei entscheidend dafür, wie umkämpft Rangordnungen sein müssen und wie offen der Weg zu Begegnung auf einer Ebene sei, wo Gemeinsames zählt.

Angenommen, es gebe einen TN, der nachhaltig die Gruppe stört, so sei häufig der erste Impuls, dieses Störende oder die davon ausgehende Irritation wegzuorganisieren, damit wir uns besser fühlen. Im Zweifelsfall spielten wir unsere Macht als Gruppenleiter aus.

Ein anderer, konstruktiverer Weg sei es, die durch das Verhalten angesprochene eigene Grenze wahrzunehmen und zu hinterfragen und damit zu integrieren und zu erweitern. Zum Beispiel, indem wir es wagten, den inneren Widerstand zu fühlen (hat nicht dieser TN plötzlich eine ungeheure Macht, den Seminarverlauf zu beeinflussen?) und vielleicht sogar auszudrücken und zu veröffentlichen. Dadurch öffne sich ein Raum, im den Authentizität erlaubt und möglich sei – und damit Wachstum und Begegnung für alle Beteiligten.

Hierbei gelte es allerdings, den richtigen Moment abzupassen: Zeige ich mich in meiner ganzen Person zu früh, würde ich „geschlachtet“, mache ich es zu spät, sei der Moment vorbei und es passiere nichts Konstruktives mehr. Die Tür zu diesem gangbaren Weg öffnet sich nur im passenden Moment.

Die angeregte Diskussion, auch in der Essenspause beim wie immer guten Buffet des Merian Hotels, zeigte, dass viele Trainertreffen-Besucher gut in der Lage waren, sowohl die pragmatische als auch die spirituelle Komponente dieser Haltung (oder sollten wir sagen: dieses Weges?) zu sehen. So hatten wir einen sehr angenehmen und bereichernden Abend, an dem sich sogar der Referent wohl fühlte! Ist das nicht ein tolles Kompliment ?

 

Anmerkungen: Dr. Achim Goeres bietet Fortbildungen für Trainer zur Prozessmoderation und zum Umgang mit Rang an. Er nutzt dafür die Erkenntnisse Mindells und Methoden aus dem Improvisationstheater. Schaut doch unter www.prozessmoderation.de. Eine Literaturliste ist auf Anfrage per Mail bei hannover-office@trainertreffen.de erhältlich.

 

Und hier noch weitere Fotos vom Trainertreffen am 17.06.2005:
(
Zum Vergrößern einfach Bild anklicken)

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