sandra_dirks_2013.jpg Sandra Dirks

Humor & Visualisierung oder humorvolles Visualisieren

Sandra Dirks

Die Verknüpfung von Humor in Wort und Bild stellt keinen Widerspruch dar. In der täglichen Seminarpraxis passiert das ganz selbstverständlich. In diesem Artikel geht es um die „Live-Verknüpfung" von Humor und kleinen gezeichneten Bildern (Icons) als Merkskizzen. Also das Erzählen und Visualisieren zur gleichen Zeit.

Das Visualisieren an Flipchart, Pinwand oder auf dem Tablet-PC ist ein Trend. Selbstgezeichnete Icons oder Strichmännchen gehören heute zum guten Ton auf jeder Veranstaltung und sorgen für gute Laune, Staunen und die bessere Identifikation der Veranstaltungsteilnehmer mit dem Thema oder den Ergebnissen.

Die Rede ist hier vom „Graphic Recording“, dem Aufzeichnen von Veranstaltungen auf großen Moderationsflächen oder dem Live-Visualisieren am Flipchart, z.B. im Rahmen einer Moderation. Dies wird mit dem englischen Begriff „Visual Facilitating“ bezeichnet.

Flipchart- oder Visualisierungstrainings sind viel gebucht. Auch bei mir können Sie das Zeichnen oder besser gesagt „Scribbeln“ lernen. Auch wer sich das nicht zutraute, wird feststellen, dass es einfacher ist, als man glaubt. Dafür spricht sicher auch, dass die Stimmung in jedem dieser meiner Visualisierungs-Trainings gut und zum Teil sogar ausgelassen fröhlich ist.

Humor ist dagegen ein gefährliches und schwieriges Thema, hier ist es auch fröhlich, aber die Erfolge sind nicht so schnell sichtbar, wie beim Visualisieren. Dennoch ist Humor als Methode auch irgendwie ein Trend und sollte ebenso in ein gutes Seminar hinein.

Im Humortraining geht es darum, vermeintlich trockene Lerninhalte in unterhaltsame Reportagen oder kurze Stand-up-Comedy-Einlagen des Trainers zu verwandeln. Dabei helfen verschiedene Humor- und Kreativitätstechniken, wie sie auch in der Unterhaltungsindustrie verwendet werden. Dazu werden die Lerntexte geradezu seziert.

Visualisierungen nutzen, denn Humor allein spricht nicht alle Lerntypen an

Ich habe zu verschiedenen kaufmännischen Themen Mini-Vorträge in kurze Stand-up-Einlagen verwandelt oder diese auch improvisiert. Die Teilnehmer haben gelacht und die Inhalte aufgenommen. Trotzdem war ich manchmal auch mit einer zusätzlichen Wiederholungsübung nicht zu 100% überzeugt, ob das Wissen mit Humor allein auch langfristig oder zumindest bis zur Prüfung gut verankert ist. Zudem spricht ein Mini-Vortrag oder eine Stand-up-Nummer weniger Lerntypen an. Hier könnte es eine Verknüpfung mit der Visualisierung geben.

Wie wird er nun verknüpft, der ernste Humor mit dem harmlosen und leichtfüßigen Thema, dem Visualisieren? Die Teilnehmer in meinen Flipcharttrainings wundern sich oft, dass es ein Ziel des Kurses sei, das Zeichnen zu beschleunigen: „Aber wieso schnell, ich kann doch die Flipcharts vorbereiten?“ Aber gemeint sind hier nicht die Flipcharts zur Begrüßung, zum Abschluss oder die Anleitungen für Arbeitsaufgaben und Methoden… Es geht darum, Ideen schnell mit zu skizzieren.

Schneller zeichnen kann man üben und kommt gut an

Aber wenn Sie Ideen mitskizzieren wollen, dann sollten Sie an Ihrer Geschwindigkeit arbeiten. „Ich vermittle doch Fachwissen, das kann ich doch auch aufschreiben und einfach hinhängen...“ Davon möchte ich Sie abbringen. Wo ist sonst der Unterschied zu Powerpoint?

Einige Teilnehmer sind bei der Idee, Inhalte zu skizzieren, sofort mit dabei, andere müssen erst eine Weile darüber nachdenken. Ich gebe zu, dass ich auch nicht begeistert war, als ich diese Idee zum ersten Mal hörte. Für mich war die intensive Vorbereitung des Trainings immer auch eine wirkliche Wertschätzung der Teilnehmer. Wenn ich live und schnell zeichnen sollte, dann musste das ebenso perfekt sein, wie stundenlang vorbereitete Charts. Ein (zu) großes Ziel.

Heute sehe ich das anders und sage nur, dass es mit ein wenig Training immer noch wertschätzend für die Teilnehmer ist und sogar mehr bringt. Mein persönliches Training war das Erlernen der ‚visuellen Sprache’. Ich orientiere mich dabei am „Graphic Recording“. Die Auf­nahme der Ideen erfolgt hier ebenso schnell, wie die schnell visualisierten eigenen Bildideen, die der Vermittlung von Lerninhalten dienen.

Jemand bezeichnete mich neulich dabei mal als „Fritze Flink im Seminarraum“. Die älteren Leser werden Fritze Flink noch als Schnellzeichner aus der TV-Sendung „Dalli Dalli“ mit Hans Rosenthal kennen.

Was also tun, denn ich möchte weiterhin an diesen kurzen Einlagen festhalten? Die Lösung ergab sich ganz spontan aus einer Laune heraus in einem Seminar zum Thema „Marketing“ im Rahmen der Aus- und Fortbildung von Handels­assistenten. In diesem Seminar war der „Werbeplan“ unser Thema.

Ich begann mit den Worten: „Die Fachwörter zum Werbeplan klingen ähnlich wie die Unterweisung der Mitarbeiter zum Winterdienst nach übermäßigem Schneefall, z.B. Streukreis, Streuzeit, Streudichte. Aber es sind Begriffe aus dem Marketing, die sie kennen und unterscheiden sollten.“ - Teilnehmerin: „Ist ja kein Wunder, in großen Werbeagenturen und unter Marketingfachleuten gehört der 'Schnee' zum guten Ton.“ Ich brauchte einen Augenblick, um einen Riesenlachflash ob der unglaublichen Schlagfertigkeit meiner Teilnehmerin zu unterdrücken und das Lachen der anderen Teilnehmer abebben zu lassen. Mit dieser Bemerkung hatte sie mein rabenschwarzes Humorzentrum getroffen. Ich fuhr fort: „Gut, nachdem wir die Herkunft der Wörter geklärt haben, lassen sie uns mit der Unterscheidung und Definition der einzelnen Begriffe fortfahren.“

Übermütig begann ich während dieses Seminars meine Inhalte aus den Minivorträgen parallel am Flipchart mit zu „scribbeln“.

Merkskizzen fördern das Erinnern

Für mich entstehen am Flipchart keine Zeichnungen. Es sind schnelle, aber wirksame Skizzen. Da der Begriff „skizzieren“ aber in unserer Sprache für viel mehr genutzt wird, finde ich ihn allein für unsere Zwecke nicht passend. Besser passt da „Merkskizzen“, die das klassische Tafelbild ab­lösen. Die Skizzen sind vergleichbar mit der Technik der „Sketchnotes“, auf deutsch „visuelle Notizen“, die z.B. während eines Vortrags von den Zuhörern angefertigt werden. Diese Sketchnotes werden zum Glück gerade wieder für das Lernen entdeckt, denn mit den Merkskizzen unterstützen Sie Ihre Teilnehmer beim Lernen.

Ich scribbelte also ein paar Icons ans Flipchart und „performte“ (Neudeutsch aus Castingshows für „darbieten, vorstellen“) weiter meine Geschichte.

sandra_dirks_2013_131113-bild01.jpg Merkskizzen der wichtigsten Gedanken

Plötzlich passierte etwas Seltsames: Die Teilnehmer nahmen nicht etwa ihr Handy aus der Tasche, um das Flipchart abzufotografieren, wie ich es sonst kenne, wenn ich mal etwas aufschreibe. Nein, sie zeichneten diese Icons ab. Einige sagten sogar: „Cool, das geht ja ganz einfach, das da zu zeichnen und das sieht voll süß aus!“

Bei der „Streudichte“ fehlte mir ein Bild. Ich fragte die Teilnehmer, ob sie eine Idee hätten, wie ich das jetzt darstellen könnte. Heraus kam in diesem Moment die etwas aufwändigere Figur unten am rechten Bildrand. So habe ich mit den Teilnehmern beim Zeichnen improvisiert und es war gar nicht schlimm oder gar weniger wertschätzend. Ganz im Gegenteil. Zudem könnte dieser Lernteil vielleicht sogar besser erinnert worden sein, als die anderen.

In der Klausur zu diesem und anderen Themen aus dem Seminar zeigte sich dann auch, dass die Teilnehmer das Thema viel besser erinnert hatten. Sie haben am Ende weniger mitgeschrieben, denn bis auf ein paar Bilder und Stichworte, hatten Sie nichts notiert. Stattdessen hatten Sie sich die Inhalte mit den Geschichten und den Bildern eingeprägt. Zusammen mit dem Teilnehmerskript, das die notwenigen theoretischen Hintergründe vermittelt, ist das eine gute Basis für das Fachwissen.

Selbstverständlich ist uns zu dieser Seminarepisode auch der „Schnee“ in der Werbeagentur präsent geblieben.

Merkskizzen eignen sich für nahezu alle Themen

Ob das wohl auch in anderen Gruppen funktioniert? Ich überarbeitete die Geschichte ein wenig und setzte das „Streugebiet“ mit einer Portion „Wiener Schnitzel“ gleich und die „Streudichte“ mit einem defekten Salzstreuer, der die ganze schöne Portion kräftig versalzen könnte. Es funktionierte auch in dieser und drei weiteren Gruppen. Hin und wieder gab es auch jemanden, der das Flipchart am Ende einfach nur abfotografierte. Ich finde das legitim, denn ich denke, dass das jeder für sich entscheiden sollte.

Dann war das Thema „Prüfungsvorbereitung“ dran und es ging darum, den Teilnehmern einen Einblick zum Ablauf und zur eigenen Vorbereitung der mündlichen Prüfung zu geben. Ich überlegte mir eine Geschichte, die ich dazu erzählen wollte. Das Thema sollte an einem Worstcase-Szenario aufgebaut werden, in das sich jeder an so einem Tag hineinversetzen kann. Zu jedem einzelnen Hinweis überlegte ich mir die passenden Icons. Ich trainierte, um sie schnell zeichnen zu können. Da ich mich zu diesem Zeitpunkt noch zu den Whiteboard-Hassern zählte, hoffte ich, dass sich die einzelnen Icons trotzdem gut auf dem vorhandenen Whiteboard zeichnen lassen. Im Seminarraum gab es ein überdimensionales Whiteboard, das ich vom Format her gerne für eine breite Darstellung nutzen wollte.

Das Whiteboard verlangt eine etwas andere Technik, um die gleichen lebendigen Icons, analog dem Flipchart zu zeichnen. Wer Papier liebt, der wird das glatte Material, auf dem sich die zeichnende Hand eher quietschend bewegt, nicht sehr schätzen. Gewöhnungssache, Übungssache. So sah das Ergebnis aus:

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Auch hier zeichneten die Teilnehmer wieder mit. Diese Icons ließen sich nicht ganz so schnell zeichnen, so dass ich die Pause, bzw. den Moment, in dem die Teilnehmer mein Bild abzeichneten, dazu nutzte, einzelne Bilder zu optimieren. Hier ein kleiner schraffierter Schatten, dort eine zusätzliche Farbe.

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Und auch hier wieder die Reaktion. „Ah, das ist ja ganz einfach abzuzeichnen.“

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Die Merkskizzen aktivierten die Teilnehmer, obwohl ich nur Mini-Vorträge gehalten habe. Grundsätzlich benötigen Sie für diese Vorgehensweise das Vertrauen, dass die Teilnehmer auch etwas lernen, obwohl sie nur eine unterhaltsame Geschichte und eine ansprechende Visualisierung mit wenigen Worten und einfachen Bildern er­halten.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie Ihr Thema mit Merkskizzen auf diese Weise vermitteln möchten?

  1. Überlegen Sie, wie Sie Ihre Inhalte in einen unterhaltsamen Zusammenhang bringen, z.B. ein Märchen, ein TV-Format, eine lustige Reportage. Anregungen dazu finden Sie z.B. in meinem „Humorkochbuch für Trainer“.
  2. Trainieren Sie sich in der Darbietung Ihrer Geschichte. Dazu trainieren Sie, sie auswendig vorzutragen. Nehmen Sie sie nach Möglichkeit auf und analysieren Sie, wie diese Lerneinheit auf Sie wirkt. Was wirkt lebendig? Was nicht? Was fehlt? Was könnten Sie weglassen? Holen sie sich, wenn möglich, ein Feedback von Kollegen.
  3. Holen sie sich Inspirationen für Icons, z.B. im Buch „Bildsprache“ von Petra Nitschke. Schauen Sie sich auf der Straße um: Welche Piktogramme passen zu Ihren Themen? Sammeln Sie Ideen im Internet. Haben Sie schon bemerkt, wie viele Icons sich allein auf Ihrem Computerbildschirm befinden? Stellen Sie sich aus allen Icons nach und nach Ihre eigene Bildbibliothek zusammen.
  4. Welche Bilder könnten Ihre Geschichte noch besser verankern? Suchen Sie nicht nach Bildern für einzelne Wörter. Überlegen Sie, welche Bilder Ihre Kernthemen transportieren könnten. Was wäre die minimale Ausstattung an Bildern?
  5. Trainieren Sie, die ausgewählten Icons mit einem Marker auf ein Flipchart zu zeichnen, damit Sie sich an das Material und das Format gewöhnen. Was können Sie noch vereinfachen, ohne dass der Sinn des Bildes verloren geht?
  6. Trainieren Sie die Darbietung der Geschichte in Kombination mit dem Zeichnen der Icons.
  7. Bedenken Sie, dass Ihre Geschichte nicht starr und auf ewig festgelegt ist. Passen Sie sie immer wieder dem Kontext und den Belangen Ihrer Zielgruppe an.

Literatur-Tipps

Sandra Dirks: Das Humorkochbuch für Trainer;
Methodenbuch zur Gestaltung humorvoller, unterhaltsamer Seminare;
managerSeminare, 2013, 296 Seiten

Petra Nitschke: Bildsprache; Formen und Figuren in Grund- und Aufbauwortschatz
managerSeminare 2012, 288 Seiten,
850 Bildmotive

Die Autorin

Sandra Dirks ist selbständige Trainerin. Sie arbeitet an den folgenden Projekten: Train-the-Trainer Seminare und Webinare: Humor­training für Trainer, Flipcharttrainings als Präsenztraining oder als Online-Video-Kurs.

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