stefan gatt Survival Handbuch Fuehrung

Stefan Gatt
Survival Handbuch Führung
Aus Extremsituationen für den Berufsalltag lernen
Hanser Verlag 2016
192 Seiten, 24,99 € (eBook 19,99 €)


Leserrezension von Rolf-R. Bergerhausen

Das Buch befasst sich mit Situationen, denen Bergsteiger in ihren Auf- und Abstiegen begegnen und öffnet so die Tür, Vergleiche und Gemeinsamkeiten eines Führenden im Alltag eines Unternehmens zu entdecken. Bewusst reflektiert Stefan Glatt seine Erlebnisse am Berg und kombiniert sie mit präzisen Aussagen und aktuellen Erkenntnissen aus der Neurobiologie und der Positiven Psychologie. Seine tägliche Arbeit als Führender „am Berg“ liefert spannende Erlebnisse, deren Parallelität zum eigenen Leben den Leser unmittelbar erfasst. Die Bewältigung besonders kritischer Situationen am Cho Oyu und das ausführliche Beschreiben des „Wie“ tragen zu einem teilweise packenden Erzählen bei.

Der Autor verfolgt mit dem Buch das Ziel, den Leser und Interessenten auf seinem Weg zu einer bewussten, effizienten Führungskraft zu unterstützen. Er beleuchtet Führungssituationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln – am Berg: Beginnend mit den Fragen: welche Ziele verfolge ich mit meiner Bergsteiger Gruppe und wie finde ich die richtigen Mitarbeiter – die motiviert mit mir zusammen auf den Gipfel wollen?

Über die persönliche Einschätzung, habe ich damit die notwenigen Kompetenzen beieinander und ist es möglich, aus dieser Gruppe ein Team zu entwickeln, bis hin zu den beiden elementaren Fragen, ob alle bereit und fähig sind, eine gemeinsame erfolgreiche Sprache zu entwickeln und ein Verständnis darüber, was es braucht am Berg?

Der Autor macht eindringlich klar was es gerade am Berg bedeutet, einen zuverlässigen Rahmen zu setzen und eine erfolgreiche Feedback-Kultur aufzubauen, damit sich jeder auf jeden verlassen kann – gerade wenn es kritisch wird, z.B. vom Wetter her.

Jeder Berg ist anders – jeder Mensch auch; sind dann Gefahren und Risiken so abgewogen, dass selbst in Krisenzeiten potentielle Gefahren und Wagnisse erkannt, entschieden beeinflusst und kreativ gelöst werden können?

Kommunikation als zentraler Wert ist der Faktor, wie man die Regeln des Wandels und der Veränderung erkennt und damit selbst lernt, mit sich und mit seinem Team umzugehen. Nachhaltige Führung und auf sich selbst achten sind wesentliche Punkte eines erfolgreichen Miteinanders.

Wer Lust hat, sich intensiv und hautnah (durch eindrucksvolle Fotos unterstützt) mit diesen Fragen und Antworten zu beschäftigen, sollte ins Survival Handbuch schauen – und wichtige Eckpfeiler der Führung – zum Teil auf Flipchart-Fotos zusammengefasst - nebst viele Tipps zum zeitnahen Umsetzen, entdecken.

Das Buch ist für Einsteiger und erfahrene Profis gleichermaßen lesenswert.

Da sind zum einen die Team-Entwicklungsphasen mit den Rollenprofilen von Belbin und dem situativen Führen in Anlehnung an Hersey & Blanchard dargestellt. Gut aufbereitet ist das Rangdynamik-Modell von Schindler, verbunden mit der direkten Aufforderung, immer am Kommunikationsfluss (nicht nur im Team) zu arbeiten. Sein Appell, variantenreich zu führen, zu motivieren und das Führungsverhalten unter sechs verschiedenen Aspekten zu analysieren, schafft damit die Brücke zum Managerial Grid von Blake & Mouton: wohin tendiert jemand beim Führen – eher zum Fokus auf die Beziehung oder zum Fokus auf die Aufgabe? Oder sind Kompromisse die dauerhafte Lösung – das „middle of the road management“?

Jeder Tag bringt (nicht nur am Berg) Veränderungen mit sich – kleine und große gleichermaßen. Sinnvoll ist es damit auch, deren Auslöser zu erkennen und sich mit den 8 Stufen des Wandels (nach J.P. Kotter) auszukennen. Zugleich zu wissen, dass zuverlässige Rahmenbedingungen, feste Rituale und das tägliche Arbeiten am Kommunikationsfluss im Team jede Art von Veränderung deutlich handhabbarer machen, stärkt das Vertrauen. Es unterstützt Teams zugleich dabei, sich gegen Risiken, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreffen, zu wappnen.

Und um wirksam zu führen, finden sich am Ende jedes Kapitels sogenannte „Survival Tipps ...“.

Meine Empfehlung

Versöhnung – so habe ich die Situation nach meinem ersten Lesen dieses Buches umschrieben. Warum? Nun, als ausgesprochener Nicht-Kletterer ein Buch von solchem Format zu lesen und sich dann in die Geschehnisse am Berg einzufühlen ist – vorsichtig ausgedrückt „harte Arbeit“. Als jemand, der sich am, im und unter Wasser zu Hause fühlt und für den Delfine und die DelphinStrategien in seiner Trainerarbeit (emotional) gute „Berührungs-Punkte“ sind, geht mir das Lesen des Buches zu Beginn nicht leicht von der Hand.

Für mich der Höhepunkt des Buches ist das Kapitel 7: „Licht und Schatten am Cho Oyu – Bergung aus der Todeszone“. Die spannenden Extremsituationen entschädigen mich für mein Durchhalten bis hierher. Endlich – sage ich zu mir – hier ist das, worauf ich als Leser so lange gewartet habe. Die emotional kritischen Szenen am Berg, die Bedrängnisse, die jeder Beteiligte auch noch mit sich selbst meistern muss und die zahlreichen entscheidenden Kleinigkeiten des Zusammenhalts aller, die schließlich zu einer positiven Wende führen. Genau hier sind all die wesentlichen Faktoren zusammen gekommen, die eine wirksame Führungskraft – auch und gerade in (kritischen) betrieblichen Situationen - benötigt. Gerade deshalb habe ich mich in diesem Kapitel mit Stefan Gatt und seinem Buch tatsächlich versöhnt: seine Motivation wird deutlich, dieses Buch zu schreiben.

Wer (bisher) kein Bergsteiger war, wird die Buch-Kapitel sicherlich mehrmals lesen (müssen), um den tatsächlichen Wert des Buches zu erkennen. Oder beginnt mit Kapitel 7 ☺.

Denn, wie es am Berg heißt: Oben warst du erst, wenn du wieder unten bist. (S. 172)

Rolf-R. Bergerhausen
PHINUS-CONSULT