Cover SabineMertens Zeichnen Coaching

Sabine Mertens
Wie Zeichnen im Coaching neue Perspektiven eröffnet
2014, Weinheim und Basel: Beltz Verlag
336 S., zahlreiche, teils farb. Abbildungen
49,95 €
ISBN: 978-3-407-36562-0

vorgestellt von Katrin Seifert (Coach, Trainerin, Kunsttherapeutin)

Kennen Sie das? Sie haben einen Kollegen, den Sie wegen seiner Kompetenz schätzen. Eines Tages führt er eine Präsentation durch, auf die Sie sich freuen. Denn nun kann er sich im besten Licht darstellen. Doch Sie werden enttäuscht, denn der Kollege bleibt unter seinen Möglichkeiten und verzaubert nicht das Publikum. Und das ärgert Sie, denn Sie wollten, dass er sich bestmöglich präsentiert.

So ging es mir auch mit dem Buch von Sabine Mertens. Schnell erkannte ich, dass hier ein gewaltiges Werk vorliegt. Gewaltig, weil a) sehr umfangreich – nichts für die Westentasche – und b) sehr tiefgründig und aufwändig recherchiert.

Ich war neugierig auf das Buch, denn als Coach und Kunsttherapeutin bin ich auch immer an der Erweiterung meines Wissens interessiert. Und ja, einige Methoden konnte ich mir bereits rausziehen bzw. erlebte eine Bestätigung in meinem Herangehen.

Doch dieses Buch verwirrte mich auch.

Das Buch ist in drei Hauptkapitel gegliedert: 01) Coaching mit selbstgezeichneten Bildern, 02) Vom Leben gezeichnet – Fallgeschichten und 03) Kleine Nachlese. Um so ein umfangreiches Buch als Methodenwerkzeugkoffer zu benutzen, war es mir zu unsystematisch. Übrigens beziehe ich mich bei all diesen Aussagen auf Kapitel 1. Wollte ich eine Methode noch einmal nachschlagen, musste ich mich entweder genau an die Stelle erinnern oder umständlich blättern und suchen. Denn die kreativen Überschriften halfen mir nicht beim Auffinden. Oder verstehen Sie, warum eine Coachingmethode „zwischen Rembrandt und Bügelbrett“ angeordnet ist oder was sich unter „… und die Dinge hatten nichts dagegen“ verbirgt? Als Coach, der nicht mehr im Studium ist und wissenschaftliche Texte analysiert und konsumiert, brauche ich etwas gut Zugängliches. Hier, im 1. Teil, musste ich mich beim Lesen jedoch sehr konzentrieren, um alles nachvollziehen zu können. Das ewige Nachschlagen von zum Text gehörenden Bildern störte mich auch ein wenig. Da Blättern sowieso angesagt war, wäre hier vielleicht eine Bildersammlung am Ende hilfreich, versehen mit einem 2. Lesezeichen; wie auch ein Sachwortregister.

Sabine Mertens zeigt anhand von vielen Fallbeispielen ihr Herangehen auf und erklärt dabei fast wissenschaftlich – mit Quellenangaben manches Mal bis zu über zwei Zeilen, die den Lesefluss stoppten – die Wahl ihrer Methoden. Wer hier Ausdauer hat wird gut fündig. Aufbauend auf der Arbeit mit Resonanzbildern, die auch erst im Kapitel „Ansichtssache – Ästhetische Erfahrung zwischen Herzlichkeit und Fleischwurst“ (S. 95ff) erklärt werden erschließt sie sich die Weltsicht des Klienten und hilft gleichzeitig diesem, seine Erklärungsmuster zu begreifen und zu hinterfragen. So stellt sie Methoden wie „Rolle rückwärts“, „Gegensatzbilder“ oder „Lebenspanorama“ u.a. vor. Sehr eingängig wird beschrieben, wie Bilder gedeutet werden können. Dazu habe ich mir schließlich eine Matrix erarbeitet, um selber übungsweise eine These zur Deutung der Bilder vor ihrer gelieferten Erklärung zu bilden. Ganz wichtig für den anwendenden Coach ist die Aussage: „Formverständnis vor Inhaltsverständnis“, also nicht sofort auf das vermeintlich Offensichtliche eingehen, sondern die Lage und Art der Formen gemeinsam mit dem Klienten „auseinander nehmen“, um dann ggf. noch andere Wege als Erklärungsmuster betreten zu können.

Apropos Coach: Manches Mal fühle ich mich in der Darstellung der Methoden sehr nah am Therapeutischen und schwanke, ob dieses Buch überhaupt die richtige Zielgruppe anspricht. Für Kunsttherapeuten oder Therapeuten und zum Beispiel angehende Coachs, die in ihrer Ausbildung noch viel Literatur konsumieren, bietet dieses Buch einen großen Fundus an Wissen.

Und wer überhaupt erst einmal vergnüglich in die Materie einsteigen will, dem empfehle ich, zuerst das 2. Großkapitel zu lesen. Das ist spannend und gibt einen Überblick über den Verlauf und das Herangehen von Sabine Mertens. Das 2. Kapitel liest sich im Gegensatz zum 1. Kapitel sehr flüssig. Oder Sie folgen der Empfehlung von Sabine Mertens „Sieben Arten, wie Sie dieses Buch lesen können“ auf Seite 16.

Fazit: Zeichnen im Coaching eröffnet tatsächlich neue Perspektiven. Die Art der Analyse, wie sie Sabine Mertens dargestellt hat, benötigt jedoch u.U. erweitertes therapeutisches Wissen. Sabine Mertens führt dazu umfangreiche Studienmöglichkeiten in der Literatur auf. Ein Buch für Klienten zum Selbstcoaching ist es auf alle Fälle nicht. Mit diesem Buch empfiehlt sich Frau Mertens als besonderer Coach und Expertin.