Dr. Margret Richter Dr. Margret Richter

Kardinalfehler  im Umgang mit Komplexität

Dr. Margret Richter

In vielen Alltagssituationen und zahlreichen Experimenten haben sich die sechs wichtigsten Denk- und Planungsfehler im Umgang mit komplexen Systemen herauskristallisiert. Die Ursachen liegen in der mangelnden Kunst, solche Systeme zu steuern. In Simulationsspielen lässt sich der Umgang mit komplexen Situationen trainieren.

In vielen Alltagssituationen und zahlreichen Versuchen hat sich gezeigt, dass die Leistungen im Umgang mit komplexen Situationen unterschiedlich sind. Sie sind es auch dann, wenn weder Intelligenz noch Vorerfahrung noch Motivation der Beteiligten unterschiedlich waren. Die Unterschiede sind in der operativen Intelligenz zu suchen. Das ist all das, was jemand an Wissen über den Einsatz seiner intellektuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringt.

Es gibt keine allgemeine, immer anwendbare Regel, um mit allen komplexen verschiedenartigen Realitätsstrukturen fertig zu werden. Man kann aber lernen, die Möglichkeiten des Gehirns besser zu nutzen, um die richtigen Dinge im richtigen Moment und in der richtigen Weise zu tun. In den zahlreichen Experimenten des Systempsychologen Dietrich Dörner kristallisierten sich die wichtigsten Denk- und Planungsfehler heraus, die im Umgang mit komplexen Systemen begangen werden.

Erster Fehler: Falsche Zielbeschreibung

Die Planung geschieht häufig ohne große Linie. Das System wird abgetastet, bis ein Missstand gefunden wird. Dieser wird beseitigt. Dann wird der nächste Missstand gesucht und beseitigt. Das nennt man Reparaturdienstverhalten. Besser wäre es, die Erhöhung der Lebensfähigkeit als oberstes Ziel zu setzen.

Zweiter Fehler: Unvernetzte Situationsanalyse

Sehr beliebt ist es, große Datenmengen zu sammeln. Die ergeben zwar detaillierte Listen, führen jedoch zu keinem vernetzten Gefüge. Oft ergeben sich keine sinnvollen Auswertungen, weil Ordnungsprinzipien wie etwa Rückkopplungskreise oder Grenzwerte fehlen. Der kybernetische Charakter des Systems wird nicht erfasst. Besser wäre es, Wirkungsgefüge zu erstellen und Rückkopplungskreise zu identifizieren.

Dritter Fehler: Irreversible Schwerpunktbildung

Man versteift sich einseitig auf einen Schwerpunkt, der zunächst richtig erkannt worden ist. Aufgrund erster Erfolge bleiben Probleme in anderen Bereichen unbeachtet. Besser wäre es zu untersuchen, welche Rolle jeder erfolgskritische Faktor im System spielt.

Vierter Fehler: Unbeachtete Nebenwirkungen

Befangen im linear-kausalen Denken wird bei der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten oft sehr zielstrebig vorgegangen. Das heißt, es wird keine Nebenwirkungsanalyse durchgeführt, auch dann nicht, wenn das System als vernetztes Gefüge erkannt worden ist. Besser wäre es, im vernetzten System die Strategiealternativen durch Simulation auf Nebenwirkungen zu prüfen.

Fünfter Fehler: Tendenz zur Übersteuerung

Oft wird zögernd und mit kleinen Eingriffen an die Beseitigung der Missstände herangegangen. Wenn sich daraufhin im System nichts tut, wird kräftiger eingegriffen. Da sich die ersten kleinen Schritte durch Zeitverzögerung unbemerkt akkumulieren, gibt es unerwartete Rückwirkungen. Deshalb wird dann wieder gebremst. Besser wäre es, im vernetzten System die Strategiealternativen durch Simulation auf Rückwirkungen zu prüfen.

Sechster Fehler: Tendenz zu autoritärem Verhalten

Die Macht, das System verändern zu dürfen und der Glaube, es durchschaut zu haben, führen oft zu einem diktatorischen Verhalten, das für komplexe Systeme ungeeignet ist. Systeme kann man am wirkungsvollsten mit dem Strom schwimmend verändern. Bei der Durchsetzung von Gigantismen, die die Systemstruktur gefährden, spielt es auch eine Rolle, durch die Größe des Projekts und nicht durch die bessere Funktionsfähigkeit des Systems zu Macht und Ansehen zu kommen. Besser wäre es, die Funktionsfähigkeit des Systems zu verbessern und sich nicht von Macht und Prestige leiten zu lassen.

Entwickeln und Anwenden geeigneter Systemstrategien

Kybernetische Systemstrategien sind gegenüber den einfacheren linearen Strategien weniger beliebt. Da die uns umgebende Realität jedoch ein komplexes System darstellt, täuscht man sich selbst, wenn man glaubt, mit inadäquaten Strategien komplexe Probleme bewältigen zu können. Das Entwickeln und Anwenden geeigneter Systemstrategien wird zum wesentlichsten Part der Problembewältigung. Komplexe Systeme verlangen ständige Dynamik im Denken, das heißt die Gesamtheit der Findungsverfahren, über die ein Mensch verfügt. Bei allen Fehlplanungen liegt das Hauptproblem offensichtlich darin, dass die Qualifikation der hinzugezogenen Experten an den Grenzen ihres Fachgebietes aufhört, zu wenig interdisziplinär gearbeitet wird und kein Überblick über die kybernetischen Zusammenhänge des Projekts vorhanden ist.

Hauptursachen für die Kardinalfehler im Umgang mit komplexen Systemen

Diese liegen im unkybernetischen Vorgehen. Dabei wird nicht mit dem System und dessen Eigensteuerung gearbeitet, sondern dagegen. Mehrere der genannten Fehler erklären sich aus der Unkenntnis, Missachtung oder Zerstörung der im System wirkenden Regelkreise.

Es gibt drei Hauptursachen für die Kardinalfehler im Umgang mit komplexen Systemen. Eine ist die getrennte Betrachtung von Systemteilen und der dadurch bedingten Ignorierung von Rückkopplungen und Regelkreisen. Eine andere Ursache ist die Tendenz, Regelkreise auszuschalten, wenn welche erkannt werden. Die dritte Ursache besteht in einem zu kurzen Planungshorizont, der Rückwirkungen nicht erfasst.

Der Umgang mit der Zeit ist dem gesunden Menschenverstand nicht vertraut. Wir berücksichtigen die Ablaufcharakteristika der Ereignisse oft nur unzulänglich. Wir müssen lernen, dass Maßnahmen Totzeiten haben, bis sie wirken. Wir müssen lernen, dass Ereignisse auch Fernwirkungen und Nebenwirkungen haben. Wir müssen erkennen, dass die Auswirkungen unserer Entscheide oft an unerwarteten Orten zum Vorschein kommen. Wir müssen lernen, in Systemen zu denken. Wir müssen lernen, dass man in komplexen Systemen immer mehrere Dinge tun muss.

Ein Patentrezept, um Menschen den Umgang mit komplexen Situationen beizubringen, gibt es nicht. Doch man kann den Umgang damit in Simulationsspielen trainieren. Sie sind einfacher als die wahre Realität. Sie funktionieren als Zeitraffer. Sie stellen den unmittelbaren Kontakt mit den eigenen Fehlern her. In Nachgesprächen können Art und Ursache der Handlungsfehler bewusst und besprochen und daraus gelernt werden.

Literaturtipp:

  •       Dietrich Dörner: Strategisches Denken in komplexen Situationen, Reinbek 2003,
  •       Frederic Vester: Die Kunst vernetzt zu denken, DVA 2001.

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Zur Autorin

Dr. rer. Nat. Margret Richter studierte in Marburg Pharmazie. Sie hat mehrjährige Erfahrung in der Pharmaindustrie und als selbständige Apothekerin. Dr. Richter hat sich spezialisiert auf das Management komplexer Probleme und arbeitet seit 20 Jahren auf den Gebieten Vernetztes Denken, Biokybernetik, Systemtheorien und Evaluation. Als Inhaberin der SOLIDIA Managementberatung hat sie ihre Schwerpunkte in den Gebieten Strategie, Veränderung und Evaluation.

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