Peter Brix

Vom Projektmanagement zur Projektkultur (1)

Der Blickwinkel entscheidet, was Sie erleben

Die Autoren dieser teilweise provokanten Artikelreihe geben handfeste Anregungen zur Verbesserung der Projektarbeit im Unternehmen. Gleichzeitig setzen sie Impulse zum Blick über den Experten-Tellerrand der bestehenden Projektmanagement-Gepflogenheiten. Im ersten Artikel dieser Reihe wird der Begriff Projektkultur näher betrachtet. Für die Autoren folgt daraus die Einladung, die Weiterentwicklung der Projektkultur in einzelnen Projekten und in der Multi-Projektlandschaft höher zu priorisieren als den Einsatz von Instrumenten mit der Gefahr, ihn auch noch zu übertreiben. Damit richtet sich dieser Artikel sowohl nach außen, an den Kunden, als auch nach innen, in die Beraterszene.

Die Notwendigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Projektmanagement-Verständnis und seiner Modernisierung brachte ein Kunde sehr gut auf den Punkt. Der Geschäftsführer eines Entwicklungs- und Produktionsbetriebes berichtete in einem Auftragsklärungsgespräch etwas aufgebracht: „Jetzt optimieren wir hier schon seit mehr als zehn Jahren, haben mittlerweile das dritte kaum gelesene Handbuch und diverse Tools – aber wie sieht es eigentlich mit der Zusammenarbeit aus? Traurig! Da wird immer noch gegeneinander und auf Inseln gearbeitet. Wir sind ein Projekt-Unternehmen (zu 85%) und was treiben wir da? Das ist einfach keine Kultur, das ist …“

Aus diesen Erfahrungen mit der Praxis des Projektmanagements haben wir die Anschauung entwickelt, dass veränderte Prozess- und Methodenbeschreibungen sowie Instrumente zunächst nur als Basis und Absichtserklärung zu verstehen sind. Erst der parallel und anschließend verwirklichte, gut betreute Umlernprozess zur Veränderung der Handlungen und Haltungen aller Beteiligten entscheidet über die eigentlichen Fortschritte. Eine angestrebte Optimierung wird, nach Zielsetzung und Modellbildung, erst durch eine damit verbundene veränderte Projektkultur Wirklichkeit werden.

Wir möchten Sie mit diesem Artikel dazu anregen oder darin bestätigen, das Heil der besseren Projektarbeit in der Weiterentwicklung einer entsprechenden Kommunikationskultur zu suchen und nicht im perfektionierten „Werkzeugkasten Projektmanagement“. In einer Kommunikationskultur, die nicht formal, sondern lebendig und reich an Kontakten ist.

Im folgenden Schritt bieten wir Ihnen dazu einen positiven Begriff „Projektkultur“, der an den Begriff „Unternehmenskultur“ anknüpft. Gleichzeitig unterstreichen wir die Erfordernis einer ergebnisreicheren und umfassenden Sichtweise.

Projekte werden vorwiegend in Unternehmen durchgeführt bzw. stehen im Zusammenhang mit Organisationen. Starten wir also mit der Sicht auf das Unternehmen, allerdings nicht auf das Organigramm. Wir betrachten das Unternehmen hier aus systemtheoretischer Sicht als soziales System, einem lebendigen Organismus sehr ähnlich. Die „Organisation“ ist dabei was real kommuniziert (ausgetauscht) wird und wie Handlungen aufeinander abgeglichen werden. Was in Organigrammen und Prozessbeschreibungen niedergelegt wurde, könnte damit lediglich als hilfreiche Vor- oder Nebenbedingung verstanden werden. Die endgültige Lebendigkeit des Vorbildgegenstandes Organismus ist nicht über die Vielzahl seiner Zellen und ihrer Baupläne, sondern über ihr reales Zusammenwirken gegeben. Das Unternehmensergebnis wird dementsprechend primär als Folge des real beobachtbaren, tatsächlichen Zusammenarbeitens aller Beteiligten verstanden. Dieses Zusammenwirken verstehen wir hier als „Unternehmenskultur“, als Summe aller Denkhaltungen, Verhaltensweisen und Handlungen aller darin befindlichen Systemelemente, also Menschen.

Ein anschauliches Beispiel dazu ergibt sich aus der Beobachtung eines gut funktionierenden Handwerkerteams: Hier werden exzellente Ergebnisse erzielt – nicht gerade selten und größtenteils ganz ohne nachweisliche Organisationsbeschreibungen!

Eine solide Basis, auf der wir unseren Entwurf des Begriffes „Projektkultur“ aufbauen:

Einzel-Projekte können als Unternehmen im Unternehmen verstanden werden. Auch hier ist das eigentliche Zusammenwirken erfolgsentscheidend und nicht so sehr die mehr oder weniger vorhandenen Absichtserklärungen und Beschreibungen. Auch hier ist es sinnvoll, die Weiterentwicklung der Kultur in den Vordergrund zu stellen und sich darauf zu fokussieren. Was uns interessiert, ist natürlich eine positiv beschriebene „tragfähige Projektkultur“. Hier also unser Begriffsentwurf:

Eine tragfähige Projektkultur liegt dann vor, wenn sich alle Beteiligten und das Umfeld auf das jeweils gleich verstandene Ziel ausrichten, der Austausch aller untereinander rechtzeitig und vollständig erfolgt, die Fehlertoleranz definiert ist und gegenseitige Wertschätzung von allen gelebt wird.“

Wir meinen, dass dieser Begriff, dieses Ziel, sowohl für Einzel-Projekte als auch für eine Multi-Projekt-Landschaft tragfähig ist. Wir empfehlen grundsätzlich eine sowohl lebenspraktische als auch fundiert kommunikationsorientierte Betrachtung. Manchen theoretischen / wissenschaftlichen Abhandlungen stehen wir eher distanziert und kritisch gegenüber, aber auch manchen allzu pragmatischen Bestrebungen. Beispiele dafür sind stark mechanistische Ansätze aus der konservativen Organisationstheorie oder teilweise manipulativ anmutende Denkhaltungen in der Organisationspsychologie.

Als Berater plädieren wir für eine Abkehr von der reinen „Optimierung des Projektmanagements“ im heutigen Sinne. Und wir wissen wohl, dass zurzeit vermutlich mehr als 90% des Beratungsgeschäftes damit generiert werden. Unter Projektmanagement versteht man dabei „….die Gesamtheit von Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und -mitteln für die Initialisierung, Definition, Planung, Steuerung und den Abschluss von Projekten“ (DIN 69901-5), also wohlgemerkt nicht die explizite Wahrnehmung der Aufgaben durch die Akteure, sondern eher ihre Definition und Beschreibung.

Projektmanagement oder Projektkultur? Instrumente, Beschreibungen, Absichtserklärungen, verbunden mit der Gefahr der administrativen Überfokussierung, oder real gepflegte, gute Zusammenarbeit im Projekt, mit der Gewissheit, dass wir hellwach und schnell auf Störungen reagieren? Eine rhetorische Frage – Sie können selbst beantworten, welchem Konzept wir die größere Bedeutung geben sollten, welches womöglich ein besseres Ergebnis liefert und deutlich mehr Charme hat.

Lassen Sie uns also bitte Mittel und Zweck unterscheiden und die Eignung von diversen Hilfsmitteln immer danach beurteilen, ob sie dem eigentlichen WOZU zuträglich sind. Werkzeuge dienen dem WIE, haben aber die Tendenz, sich zu verselbstständigen oder ihr Einsatz wird zum Selbstzweck und als Folge davon sehr schnell vorangetrieben. Einmal durchzuatmen und grundsätzlich die Frage nach dem WOZU vorzuschalten gibt Raum, den Sinn und Zusammenhang von Instrumenten zu prüfen – auch beim Verwirklichen von Projektmanagement-Skills.

Wenn wir die Kultur der Zusammenarbeit stärker fördern wollen als die Instrumente, hat das auch Konsequenzen für die Beraterszene, für Projektmanagement-Experten, Trainer und Prozess-Begleiter: Wir alle müssten uns dazu aus der Welt der Konzeption in die Welt der realen Zusammenarbeit begeben, uns auch mit Nöten der Mitarbeiter auseinandersetzen und dafür über genug geeignete Interventionen verfügen. Sind wir in dieser Szene eigentlich selbstkritisch genug? Eine Forderung, die wir immer an unsere Kunden richten. Sind unsere Denk-Kultur und unser Wissen breit genug oder wandeln wir eher auf engeren geistigen Trampelpfaden („Mainstream“)? Wir meinen, dass wir unseren Kunden teilweise große Umwege aufbürden und sie in Illusionen bestärken, anstatt einfachere Wege zum Ziel zu beschreiten und mit umsichtigerem Denken mehr Kundennutzen zu stiften.

Wir haben nicht nur das WOZU zu wenig betont, sondern unseren Kunden bisher auch noch viel zu wenig über die Chancen einer lebendigen Selbstorganisation vermittelt, sie vielleicht selbst noch nicht gesehen und verstanden. Aspekte eines erfolgreichen Changemanagements, eines angemessenen organisationsentwicklerischen Denkens in Organisationsprojekten bleiben von uns immer noch weitgehend unbeachtet und unberücksichtigt.

Lernen wir genug von unseren Kunden, bestätigen wir ihre erfolgreichen Vorgehensweisen, auch wenn diese einfach sind und nicht „nach Norm“? Lernen wir vom Mittelstand und dem Handwerk oder verbreiten wir vorwiegend und traditionell zu sehr Methoden für Großindustrie und Megaprojekte?


Liebe Leser, es wäre sehr schön, wenn Ihnen dieser Artikel gezeigt hätte, dass Sie über eine hervorragende Projektkultur in Ihrem Unternehmen verfügen und das womöglich, ohne dass Sie instrumentell besonders stark ausgestattet sind. Dann gratulieren wir Ihnen von ganzem Herzen! Oder sind Sie nachdenklich geworden, neugierig oder kritisch, als Unternehmer oder als Berater? Auch darüber freuen wir uns.

Der zweite Artikel dieser Reihe hat den Titel „Projektkultur als eigentlicher Erfolgsfaktor der Projektarbeit“. Dort beschreiben wir den Begriff „Projektkultur“ näher und stellen Indikatoren vor für die konkrete Beobachtung des Zusammenwirkens in Projekten.

Wir haben Ihr Interesse geweckt? Dann fordern Sie gerne das Gesamt-Artikelverzeichnis und weitere Artikel an. Wir bieten Ihnen außerdem alle Themen, einzeln oder in der von Ihnen gewünschten Kombination, als Impulsvorträge oder Gesprächsgrundlagen für Veranstaltungen in Ihrem Unternehmen.


Peter Brix , Jahrgang 1952:
Ich kenne als Ingenieur die Welt der Lösungsorientierung, als Trainer und Coach setze ich auf die erforderliche Prozessorientierung. Ich stehe für eine klare Linie und unkomplizierte Zusammenarbeit im Team und mit Kunden.

Kontakt: peter.brix@PROJEKTKULTUR.INFO und Tel. 08856-82167

 

Bildnachweis: Peter Brix

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