Gerhard und Oliver Reichel Gerhard und Oliver Reichel

Sag mir, wo die Redner sind…

60 Jahre Grundgesetz – 60 Jahr Demokratie – 60 Jahre freie Rede

von Gerhard und Oliver Reichel, Institut für Rhetorik, Forchheim*

„Wir sind von Rhetorik umgeben, im politischen Leben, in der Werbung, aber auch im privatesten Bereich, und sei es nur, dass es darum geht, wohin man mit seinem Partner in Urlaub fahren soll. Auf das Instrument der Rede sind in einer Demokratie alle angewiesen.“ Roman Herzog, Bundespräsident (1994 bis 1999)

Zwei bekannte Redner der bundesrepublikanischen Geschichte waren Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß. Gerade letzterer war ein Starredner, der, wenn auch nicht immer seine Emotionen, die Rhetorik beherrschte. Solche Glanzleistungen gibt es nicht mehr. Rhetorisch gesehen kann keiner unserer heutigen Politiker wirklich in ihre Fußstapfen treten. Haben sie Angst vor zu viel Ecken und Kanten?

Woher kommt es, dass die Redekultur in Ländern wie Amerika oder England höher entwickelt ist als bei uns? Weil wir erst seit 60 Jahren eine demokratische Verfassung haben. Die freie Rede aber braucht Freiheit und Demokratie, wie wir die Luft zum Atmen brauchen. Die Rhetorik ist die älteste Kommunikationswissenschaft der Welt. Ist es Zufall, dass sie in der athenischen Demokratie ihre erste Blüte erlebt hat? Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt: Beredsamkeit ohne Demokratie ist entweder - von unten gesehen - mit Gefängnis oder gar Lebensgefahr verbunden oder sie erschöpft sich - von oben gesehen - in Lobhudelei, Vernebelung und Propaganda. Demokratie ohne Rhetorik - wäre eine reine Gespensterveranstaltung, in der allein noch nach Lobbymacht und dem Image von Personen entschieden würde. So aber haben wir die Freiheit, alles zu hinterfragen, anders zu denken und dies auch kund zu tun. Dazu wollen wir Sie ausdrücklich ermuntern. Verschiedene Ansichten, sich daraus entwickelnde Diskussionen und auch so mancher Fehler haben uns dahin gebracht, wo wir heute sind.

1. Konrad Adenauer – ein Mann klarer Worte

Adenauer war, so seltsam es klingt, der erste Medienkanzler Deutschlands. Er und seine Volkspartei CDU waren auf Grund der dünnen Mitgliederbasis darauf angewiesen, um Zustimmung bei unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen durch professionelle, medienwirksame Kommunikationskonzepte zu werben. Schon die erste Regierungserklärung eines deutschen Bundeskanzlers am 20. September 1949 machte allerdings deutlich, dass von ihm keine glanzvolle Rhetorik zu erwarten war. Sie entsprach auch nicht seinem nüchtern-pragmatischen Naturell. Es war die Rede eines Mannes, dem bewusst war, dass er, mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt, als Kanzler eines besiegten Volkes in einem weitgehend zerstörtem Lande sprach. So wurde seine Rede zu einer nüchternen Aufzählung der drängendsten Aufgaben des neuen Staates, allerdings mit Würde und maßvoll vorgetragen. Seine Rede war – und das galt auch für seine späteren Reden – der Situation angemessen. Und genau diese Angemessenheit ist ein wichtiges Kriterium für einen guten Redner.

Rheinischer Humor und Schlagfertigkeit

Bekannt war Adenauer für seinen rheinischen Humor und seine Schlagfertigkeit. Beides Eigenschaften, die einen guten Redner auszeichnen. Als Adenauer Kölner Oberbürgermeister war, soll sich ein nicht sonderlich fleißiger Mitarbeiter bei ihm über seine Schlaflosigkeit beklagt und ihn nach einem Mittel dagegen gefragt haben. Adenauers Rat war kurz: „Versuchen Sie doch mal zu arbeiten.“

Bei Verhandlungen mit bayerischen Partnern im Bundeskanzleramt empört sich ein Besucher: „Mia san ned herkomma, Herr Bundeskanzler, dass mia einfach zu allem ja und amen sagen.“ Der Kanzler antwortet in unverfälschtem Kölsch: „Dat is ja nu ja nich nötich, meine Herren, mir jenücht es schon, wenn Se ja sagen.“ In einer anderen Version haben kirchliche Würdenträger einen Disput mit Adenauer. Der Delegationsleiter meint: „Dazu können wir aber nicht ja sagen.“ Adenauer erwidert: „Meines Erachtens hat die Kirche weder ja noch nein zu sagen, sondern ausschließlich amen.“

Bei einer Diskussion um die Nominierung des ersten Bundespräsidenten sagte ein jüngerer Abgeordneter: „Ach, der Heuß, das ist doch auch nur so ein liebenswürdiges Fossil aus der Weimarer Republik…“. Daraufhin warf ein anderer Abgeordneter ein: „Und was ist dann der Adenauer?“ Der hörte dies, unterbrach sein Gespräch mit einem Minister und rief: „Das ist ja völlig neu, dass Sie mich für liebenswürdig halten…“

Kritik an Adenauers Sprachstil?

Adenauers Sprache verbindet Direktheit mit Schlichtheit. Genau diese einfache Sprache wurde von intellektuellen Kreisen abfällig kritisiert und seiner "Herkunft aus einfachen Verhältnissen" zugeschrieben. Wir teilen diese Kritik nicht. Ganz im Gegenteil. Adenauer war ein Meister der rhetorischen Reduktion, er hat die Dinge, die den Menschen wichtig waren, klar und (für alle) verständlich ausgedrückt. Er hielt es mit dem amerikanischen Dichter Ralph Waldo Emerson, der gemeint hat: „Es ist ein Beweis hoher Bildung, die größten Dinge auf einfachste Art auszudrücken.“

Was können wir von Adenauer als Redner lernen?

1. Er war glaubwürdig , weil er sich selbst treu blieb. Er hatte nichts von einem "aalglatten" Politiker, der nur auf Wirkung bedacht ist. Schwulst und inhaltsleeres Geschwätz hasste er. Dadurch gewann er das Vertrauen der Bundesbürger, der Alliierten und des Auslandes.

2. Er drückte sich einfach und verständlich aus. Für seinen Redestil galt, was der deutsche Journalist Erich Dombrowski einmal in folgendem Satz ausdrückte: „Ihr müsst so reden, dass Euch die Marktfrau am Dom und der Winzer in Rheinhessen verstehen, euch aber auch der Universitätsprofessor ernst nimmt.“

3. Er war schlagfertig. Schlagfertigkeit war für ihn ein „Fechten mit dem Florett des Geistes“. Er verstand Schlagfertigkeit nicht als Kampfrhetorik. Deshalb waren seine Antworten meist mit einem Schuss Humor gewürzt.

2. Franz Josef Strauß – brillant und lebendig

Er war der schillerndste Politiker der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte: Franz Josef Strauß, für die einen der „Heilige Franz Josef“, für die anderen ein gefährlicher Brachialpolitiker. In einem sind sich aber alle einig: Er war ein brillanter Redner! „Erfolgreichen Rednern haftet grundsätzlich etwas Mystisches und Geheimnisvolles an“, hat er selbst einmal behauptet.

Was können wir von Strauß als Redner lernen?

Sieben rhetorische Erfolgsmaximen:

1. Bildhafte Sprache

Den Abgeordneten im Deutschen Bundestag hat Franz Josef Strauß einmal in ungewöhnlich anschaulicher Weise erklärt, was der Unterschied zwischen einer Million DM und einer Milliarde DM sei: „Ein Stapel mit druckfrischen 1.000-DM-Scheinen im Wert von 1 Million DM hat eine Höhe von 11 Zentimetern . Ein Stapel mit 1.000-DM-Scheinen im Wert von 1 Milliarde DM hat demzufolge eine Höhe von 110 Metern !“ Ein weiteres Beispiel seiner anschaulichen Sprechweise: "Wir müssen uns in Bonn auf der Kaviar-Etage bewegen können. Aber zu Hause in München sind wir in der Leberkäs-Etage."

2. Hohe Fachkompetenz

Strauß wusste weit mehr als das Gros seiner politischen Kollegen. Er war kompetent in Fragen der Ökonomie, der Außenpolitik, in Sicherheitsfragen, beeindruckte durch Schlagfertigkeit, blieb auf Fragen keine Antwort schuldig und schüttelte Zahlen und Fakten nur so aus dem Ärmel. Er dachte analytisch und durchdrang Probleme sehr schnell.

3. Exzellente Allgemeinbildung

Durch seine humanistische Bildung war er in der Lage, Zusammenhänge herzustellen, Ereignisse vor dem Hintergrund der Geschichte zu beleuchten. Er verstand es, über den Tellerrand hinauszuschauen, glänzte mit vielen lateinischen Zitaten.

4. Freie Rede

Strauß war einer der wenigen, die sowohl im Plenarsaal als auch im Festzelt frei redeten. Ganz selten nur las er vom Blatt ab. Am besten war er immer dann, wenn er das Manuskript beiseite legte. Seine Rede war keine Schreibe, sondern lebendig gesprochenes Wort.

5. Dynamische Sprechweise

Ihm zuzuhören fiel leicht, weil er eine dynamische Sprechweise pflegte. Ausdrucksvoll, mitreißend, von Monotonie keine Spur. Er vermittelte dadurch den Eindruck, dass er stets hinter dem stand, was er sagte.

6. Hoher Unterhaltungswert

Strauß wusste: Zahlen, Fakten oder gestelzt formulierte Parteiprogramme schätzt das Publikum nicht. Es mag unterhalten werden. Deshalb würzte er seine Reden mit Metaphern, Geschichten, Beispielen, Anekdoten und persönlichen Erlebnissen. „Die 10 Gebote“, so zitierte er einmal Charles de Gaulle, „sind deshalb so verständlich, weil sie ohne die Mitwirkung einer Expertenkommission zustande gekommen sind.“

7. Große Anpassungsfähigkeit

Manche seiner Reden gingen zusammen mit Brotzeit und Bier in Volksfeststimmung über. Seine Fans standen zu Hunderten auf den Tischen und prosteten ihrer Ikone zu. Er verstand es, die Biertische zu befeuern. Sprach er jedoch vor Wirtschaftsverbänden, Philologen oder Professoren, erwies er sich als ein zitatensicherer Lateinkenner, beeindruckte mit geschliffener Sprache und fundiertem Fachwissen.

Was hat Franz Josef Strauß als Redner falsch gemacht?

Drei rhetorische Todsünden:

1. Sich provozieren lassen

Wenn Strauß sich persönlich angegriffen fühlte, verlor er die Kontrolle über sich. Dann spie er Gift und Galle. Strauß bei einer Wahlkampfrede in den sechziger Jahren: "Ach haltens doch den Mund, Sie Trottel. Ich sehe Sie schon seit längerer Zeit. Wenn Sie schon kein Hirn haben, dann halten Sie wenigstens das Maul. Dieses dämliche Gequatsche eines politisierenden Beatles, Sie Filzkopf!" Den Journalisten Bert Engelmann beschimpfte er als „Ratte“ und „Schmeißfliege“.

2. Polemisieren und beleidigen

Nichts gegen einen scharfen Meinungsstreit, sofern bestimmte Regeln eingehalten werden. Eine dieser Regeln heißt: “Hart in der Sache, fair zum Gegner.“ Davon hielt Strauß wenig. Er war wohl der Meinung: Wenn ich andere klein mache, bin ich selber groß. Das stimmt überhaupt nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Wer andere groß macht, wächst mit.

3. Polarisieren statt integrieren

Gute Redner helfen der anderen Seite, ihr Gesicht zu wahren. Sie zeigen Verständnis, betonen Gemeinsamkeiten, hören zu. „Mit einer geballten Faust kann man keinen Händedruck wechseln.“ Das wusste Indira Gandhi schon. Strauß jedoch betonte die Gegensätze, machte das Trennende noch deutlicher. Dadurch spaltete er die Zuhörer. Die einen jubelten ihm zu, die anderen hassten ihn. Sein erklärtes Lebensziel, Bundeskanzler zu werden, hat er dadurch nicht erreicht.


* Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik, Forchheim, hat sich in mehr als 30 Jahren einen exzellenten Ruf als Rhetorik-Trainer erarbeitet. Unternehmer, Politiker und Führungskräfte schätzen das Know-how und die Persönlichkeit des mehrfachen Buchautors und gefragten Referenten. Sein 1975 gegründetes Institut für Rhetorik zählt mittlerweile zu den ersten Adressen Deutschlands. Die Teilnehmer lernen, in Kleingruppen souverän zu kommunizieren, lebendig zu reden und gehen damit als Persönlichkeit gestärkt neue Wege. Seit 1997 ergänzt Oliver Reichel mit den Spezialgebieten Rhetorik und Mnemotechnik das Programm, denn nur mit einem unschlagbaren Gedächtnis wird der Traum, ein Redner mit Ausstrahlung zu werden, auch Wirklichkeit.

Weitere Informationen erhalten Sie bei Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik, Goethestraße 1, 91301 Forchheim, Tel.: 09191/89501, Fax: 09191/2801, per Email reichel.seminare@t-online.de oder online unter http://www.gerhardreichel.de

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