Jürgen Graf Jürgen Graf

Weiterbildungsszene  Deutschland

Weiterbildner  müssen sich  weiterentwickeln

Jürgen Graf

Der per se guten Konjunktur zum Trotz: Die Hälfte der Weiterbildungsanbieter zeigt sich mit der eigenen wirtschaftlichen und finanziellen Situation eher unzufrieden. „Schuld" sind die geänderten Rahmenbedingungen, in denen Weiterbildung stattfindet und die eine gute Auslastung erschweren.

Auch die Weiterbildungsbranche profitiert von der stabilen Konjunktur in Deutschland. Die Auftragszuwächse entwickelten sich 2012 zwar nicht mehr ganz so üppig wie noch im Jahr zuvor. Allerdings konnten sich immer noch 40 Prozent der Befragten über ein Auftragsplus im Vergleich zu 2011 freuen, knapp 37 Prozent verzeichneten eine Auftragslage auf Vorjahresniveau (siehe Abb. 1). Mit 22 Prozent hielt sich der Anstieg unter den Trainerinnen und Trainern, die eine Verschlechterung der Auftragssituation hinnehmen mussten, in überschaubaren Grenzen.

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Auf einem stabilen Niveau bewegten sich auch die Honorare: Immerhin 17 Prozent der befragten Weiterbildner konnten 2012 höhere Honorarsätze mit ihren Auftraggebern verein­baren, 14 Prozent mussten Abschläge hinnehmen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Druck auf die Honorare ungleich höher.

Und trotzdem: Jeder zweite Weiterbildungsanbieter ist eher unzufrieden mit seiner aktuellen wirtschaftlichen bzw. finanziellen Situation, wie die kürzlich durchgeführte Umfrage des Verlags zur Honoraren und Gehältern in der Weiter­bildungsbranche ergab.

Entscheidungsunsicherheit und Zeitverkürzungen der Maßnahmen

Als wesentliche Gründe hierfür gelten zum einen die Entscheidungsunsicherheit der Auftraggeber, die eine Planung und Terminkoordination der eigenen Arbeit häufig unmöglich macht. Für über 40 Prozent der befragten Weiterbildungsanbieter ist dies mit konkreten wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Des Weiteren sorgt die von Auftraggebern eingeforderte Verkürzung der Seminar- und Trainingsdauer für Verdruss. In einer Branche, die gewöhnlich in Tages- und Stundensätzen für geleistete Arbeit abrechnet, schlägt sich dies ebenfalls unmittelbar im Portemonnaie nieder – was 38 Prozent als finanzielle Belastung erleben.

Weniger Teilnehmer und Seminare

Die verschärfte Wettbewerbssituation, der Rückgang des offenen Seminargeschäfts, die

zunehmend am Preis orientierte Einkaufspolitik der Unternehmen und nicht zuletzt deren Schwierigkeiten, Mitarbeiter zeitlich überhaupt für Weiterbildungsmaßnahmen freizustellen: Die Liste der Hürden, die einer wirtschaftlich stabilen Auslastung eines Trainers im Wege stehen, ist lang. Da das offene Seminargeschäft weitgehend in der Hand der großen Anbieter ist, führt für Einzeltrainer und kleine Institute kaum ein Weg daran vorbei, sich auf eine stetig sinkende Zahl von Teilnehmern und Seminaren einzustellen, mit denen sie ihren Umsatz erzielen müssen. Der langfristige Trend ist eindeutig, wie Abb. 2 belegt: Rund 63 Prozent der befragten Weiterbildungsanbieter schulen maximal 500 Teilnehmer pro Jahr – Tendenz steigend. Nicht einmal jedem zehnten Institut gelingt es, mehr als 2.000 Teilnehmer pro Jahr zu akquirieren.

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Bei den durchgeführten Seminaren gleicht sich das Bild: 68 Prozent der Weiterbildungsanbieter bewegen sich in einem Veranstaltungsvolumen von max. 50 Seminaren pro Jahr. Die Marke von 200 Veranstaltungen pro Jahr knackt ebenfalls nur jeder zehnte Weiterbildungsanbieter. Dabei ist der Anteil von drei- und mehrtägigen Seminaren innerhalb von zwölf Jahren von 40 Prozent auf 25 Prozent gesunken. Bei maximal eintätigen Seminaren verhält es sich exakt umgekehrt: Deren Anteil ist von 25 Prozent auf über 40 Prozent gestiegen (siehe Abb. 3), bei Einzeltrainern liegt er sogar bei 44 Prozent. Um es ein wenig sarkastisch zu formulieren: Unmittelbaren Druck auf die Honorarsätze müssen Auftraggeber gar nicht ausüben. Über die Verdichtung der Lerninhalte und die Verkürzung der Trainingszeiten gelingt es ebenfalls, Trainerleistung billiger einzukaufen.

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Vom Weiterbildner zum Problemlöser entwickeln

Diese Langzeitentwicklungen kritisch zu begleiten, ist sicherlich richtig und wichtig. Gegen sie anzuarbeiten, dürfte den einzelnen Weiterbildungsanbieter allerdings kaum gelingen. Kurz: Er wird sich auf weiter rückläufige Teilnehmer- und Seminarvolumina einstellen müssen und kommt folglich kaum daran vorbei, sein Portfolio an Dienstleistungen konsequent in Richtung Coaching, Beratung und Prozessbegleitung auszubauen.

Hier heißt es insbesondere für Einzeltrainer, den Schalter im Kopf umzulegen und Weiterbildung nicht mehr in einzelne Maßnahmen wie Seminartage, Workshops und Coachingaufträge herunterzubrechen. Vielmehr geht es um ein Verständnis von Weiterbildung als Projektauftrag, für den eine Komplettlösung anzubieten ist – inklusive Konzeption, Workshops, Trainings, Dokumentation, Follow-up-Maßnahmen vor Ort, begleitenden Coachings etc. Das Angebot ist dann auch weniger eine Weiterbildungsmaßnahme als vielmehr ein Problemlösungspaket.

Allrounder mit einem guten Netzwerk im Hintergrund gefragt

Von Seiten des Weiterbildungsanbieters erfordert dies eine andere Herangehensweise bei Kundenanfragen. Er muss wissen, wie er eine Mischkalkulation erstellt, welche Angebotskomponenten der Auftraggeber vermutlich besonders attraktiv findet und mit welchen Variablen er spielen kann, um trotzdem einen zufriedenstellenden Deckungs­beitrag zu erwirtschaften. Um solche Pakete anbieten zu können, ist vor allem konzeptionelle Stärke und der berühmte Helikopterblick gefragt. An diesem Punkt wird auch deutlich, warum der Weiterbildungsanbieter als Allrounder gefordert ist: Er muss nicht alle Kompetenzen gleich gut in sich vereinen. Er muss aber das vorhandene Repertoire an Möglichkeiten kennen, um auch zu wissen, wann welche Maßnahmen in welcher Kombination und Abfolge effektiv und zielführend sind.

Und natürlich muss er im nächsten Schritt über ein gutes Netzwerk verfügen, dass eine Vielfalt an Expertise und Know-how in sich vereint und gezielt abgerufen werden kann. Denn die richtig spannenden Projekte, die für einen Einzeltrainer meist auch einen persönlichen Kompetenzsprung bedeuten, werden – von Ausnahme- und Zufällen abgesehen – schlichtweg nicht an Einzeltrainer vergeben. Ohne ein Netzwerk bleibt er „außen vor”. Die Notwendigkeit des Networkings wurde an dieser Stelle schon häufiger erwähnt, doch sei noch einmal betont: Networking erleichtert nicht nur das Geschäft, es ist vielmehr – gerade hinsichtlich der erwähnten Langzeittrends – unverzichtbar für die eigene Existenzsicherung.

 

Literaturtipp:

Jürgen Graf: Weiterbildungsszene Deutschland 2013,
100 Seiten, 198 Euro, (kostenfrei für Abonnenten von Training aktuell).
Infos unter: www.managerseminare.de/tb/tb-10484

 

Jürgen Graf, Jg. 1966, arbeitet seit 1990 als Redakteur und Lektor bei der managerSeminare Verlags GmbH, Bonn, und ist Herausgeber des Jahrbuchs „Seminare” sowie Autor der „Weiterbildungsszene Deutschland”.

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