Ralf Besser Ralf Besser

Bildungscontrolling anders denken

Wirksamkeitscontrolling als neuer Ansatz

Ralf Besser

Kritisch betrachtet führt bereits der Begriff ‚Bildungscontrolling‘ in eine Richtung, auf die es nicht wirklich ankommt. Eine bessere Bildung sollte nicht das vordergründige Ziel einer Weiterbildungsmaßnahme sein, sondern eine gewollte Veränderung in der Unternehmenspraxis. ‚Umsetzungscontrolling‘ oder ‚Wirksamkeitscontrolling‘ wären daher sinnvollere und zielführendere Bezeichnungen.

Vorweg – Dreimal kritisch hinterfragt

Dieser Ansatz eines ‚Wirksamkeitscontrollings‘ verschiebt sofort das ‚Messobjekt‘. Viel zu sehr wird der Fokus auf die Evaluation der Weiterbildungsmaßnahme selbst gelegt. Das Entscheidende – im förderlichen wie auch im kritischen Sinne - sind aber die Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Inhalte am Arbeitsplatz. Ein ‚Wirksamkeitscontrolling‘ hält die ‚Messsonden‘ zum größten Teil in die Praxis und nicht in die Weiter¬bildungsmaßnahme selbst.

Eine Untersuchung von Gregor Wittke (Freie Universität Berlin) macht diesen Zusammenhang exemplarisch deutlich: 77 % der Hindernisgründe für einen wirksamen Transfer sind im Praxisumfeld zu verorten. Dabei spielt die Weigerung der Kollegen am Arbeitsplatz die größte Rolle.

Der zweite kritische Punkt betrifft den Prozess des ‚Wirksamkeitscontrollings‘ selbst. Was bedeutet das? Die Art und Weise, wie das Controlling durchgeführt wird, kann bereits eine Umsetzung unterstützen. Das bloße Ausfüllen von Evaluationsbögen hat keine wirkliche Wirkung; geschickt inszenierte gegenseitige Interviews unter den Mitarbeiter können dagegen wie ein nachhaltiger Katalysator wirken und bringen Bewegung in den Umsetzungsprozess.

Der dritte kritische Punkt ist die Sicht auf die Betroffenheit der Beteiligten. Evaluationsfragen können zentral vorgegeben, aber auch genauso gut von den betroffenen Teams aufgrund der individuellen Besonderheiten entwickelt werden. So erhalten die Ergebnisse eine wesentlich größere Relevanz für die Umsetzung. ‚Man‘ wird nicht fremd gemessen, sondern reflektiert sich selber - mit positiver Wirkung auf die Eigenverantwortung und Motivation zur Umsetzung. Der Aufbau der persönlichen Reflexionskompetenz im Controllingprozess ist dann der Schwerpunkt. Und diese Kompetenz stellt aus meiner Sicht eine der wesentlichen Schlüsselkompetenzen überhaupt dar.

Im Zentrum – Verarbeitungsmuster des Gehirns

Diese drei kritischen Perspektiven beziehen noch nicht die Erkenntnisse der aktuellen Hirn¬forschung ein. Insgesamt 19 verschiedene Verarbeitungsmuster unseres Überlebensorgans habe ich aus den neurowissenschaftlichen Veröffentlichungen abgeleitet. Welche sind für ein ‚Wirksamkeitscontrolling‘ besonders interessant?

Beginne ich mit der Entdeckung der ‚Spiegelneuronen‘. Unbewusst werden die Handlungsmuster einer anderen Person, zu der eine Beziehung besteht, innerlich nachgeahmt. Es wird immer überprüft, wie es wäre, wenn man selbst so handeln würde, wie das Gegenüber. Diese Erkenntnis ist absolut nicht neu: Menschen lernen von Vorbildern und sind selber Vorbilder. Anders ausgedrückt: Menschen ahmen sich – unbewusst – nach. Das ist eine Lernquelle, die wesentlich wirksamer ist als jeder Appell oder kognitive Erklärung.

Was kann daraus für ein ‚Wirksamkeitscontrolling‘ abgeleitet werden? Wenn sich in einem Unternehmen - strategisch gesteuert - regelmäßig darüber ausgetauscht wird, wo man selber ein Vorbild für andere ist und wo das Gegenüber für einen selbst wiederum ein Vorbild ist; welche Entwicklungspotentiale könnten dadurch entstehen?

Wird dazu eine Vorbildfrage in die Evaluation integriert, beginnt dieser Austauschprozess bereits in der Weiterbildungsmaßnahmen: „In welchen Aspekten war für Sie der Seminarleiter ein Vorbild? Wo waren Sie für den Seminarleiter ein Vorbild? Und welche Erkenntnisse daraus sind für ihr Unternehmen, für ihr Team von Bedeutung?“

Zudem existiert der Effekt der ‚Vigilanz‘: Auf die Aspekte, auf die die bewusste - und dauernde - Aufmerksamkeit gerichtet sind, findet Lernen statt. Wichtig sind nicht die einmaligen Ergebnisse, sondern die Regelmäßigkeit eines Reflexionsprozesses, wie der des Austausches über die Vorbildrolle.

Lernen geschieht zum großen Teil unbewusst. Das trifft besonders auf das Lernen von Heuristike zu. Das Gehirn filtert vor allem die Prinzipien, das Regelhafte hinter den Erlebnissen heraus und internalisiert sie zu – eher unbewussten – Handlungsmustern. Das umschreiben die Hirnforscher mit dem Begriff der ‚Regelextraktion‘. Das Ergebnis sind die internalisierten Regeln, die Heuristiken.

Unbewusstes - und daher besonders wirkungsvolles und nachhaltiges Lernen – lässt sich aber nicht direkt evaluieren. Es benötigt sinnvolle `Umwegmechanismen‘, um an diese nicht selbst bewusst wahrzunehmende Veränderungen zu gelangen. Dazu hat sich der von mir entwickelte Ansatz des ‚Metaphernfeedbacks‘ bewährt. Die Seminarteilnehmer werden zu Beginn einer Weiterbildungsmaßnahme gebeten, zum Inhalt eine spontane Metapher, ein inneres Bild entstehen zu lassen. Alle relevanten Details dieses Bildes werden anschließend hinterfragt und notiert. Wird nun nach einer Weiterbildungsmaßnahme dieses Bild wieder erinnert stellen sich viele Veränderungen der Details ein. Diese können aufgedeckt und schließlich von der persönlichen Bedeutung her für die Umsetzung hinterfragt werden. Es ist erstaunlich, wie viel mehr an – natürlich subjektiven – Erkenntnissen dadurch an das Tageslicht gelangen und bewusster umgesetzt werden können.

Ein weiteres wichtiges Verarbeitungsmuster des Gehirns ist die Vermeidung von Inkonsistenzen. In der Psychologie wird dieser Zusammenhang mit der ‚Vermeidung von kognitiver Dissonanz‘ beschrieben, Hirnforscher sprechen von der Konsistenzregulation. Unser Geist besitzt die Tendenz, für sich selbst ein stimmiges Weltbild zu erzeugen, Unstimmigkeiten werden eher so interpretiert, dass sie in die eigenen Annahmen hinein passen, als das sie als Spannungsfeld so stehen gelassen und wahrgenommen werden können. Kurz gesagt: ‚Wir denken uns die Welt so hin, wie wir sie uns wünschen und nicht wie sie ist.‘

Was heißt das für ein Wirksamkeitscontrolling? Widersprüche, Unstimmigkeiten sollten bewusst aufgedeckt und nach Lösungspotential hin untersucht werden. Wie kann das praktisch aussehen? Bildungsmaßnahmen sollten auch zielgerichtet nach Einwänden gegenüber einer Umsetzung hinterfragt werden: ‚Was spricht dagegen, die Inhalte der Maßnahme in der Praxis anzuwenden?‘ Und solch eine Frage sollte nicht nur dem Teilnehmer eines Seminars gestellt werden, sondern vor allem den Mitarbeitern und Führungskräften seines Umfelds. Daraus lassen sich Ideen der Optimierung ableiten und solch Fragen fördern die Kritikkultur in einem Unternehmen.

Konzentration auf (Prozess)Qualität des Controllings führt zu wesentlich höherer Wirksamkeit

Das sind nur einige wenige Aspekte aus der Hirnforschung, die ein effektives ‚Wirksamkeitscontrolling‘ unterstützen. Aus der Summe dieser Ansätze habe ich ein Evaluationstool entwickelt, das die Prozesswirkung in den Vorder- und die Messergebnisse in den Hintergrund rücken. Gemessen wird nur noch die (Prozess)Qualität des Controllings an sich – mit einer wesentlich höheren Wirksamkeit als eine Bildungsmaßnahme. Das wird das Thema meines nächsten Buches sein.

Literaturtipps

• Literatur: „Interventionen, die etwas bewegen“ im BELTZ-Verlag (Metaphernfeedback)
• kartenheft Transferevaluation im Eigenverlag
• Artikel „Machen statt messen“, in ManagerSeminare (auch als kostenloser Download auf www.managerSeminare.de)

Der Autor

Ralf Besser, Dipl.-Ing., Prozessbegleiter in Unternehmen - auf der Suche nach Wirksamkeit: Menschen für sich und für das Unternehmen bewegen. Veröffentlichungen: „Interventionen, die etwas bewegen“ im BELTZ-Verlag, „Das Gehirn“, „Neurodidaktik“, „Lernen im Alter – wie sich das Gehirn verändert“, „Personalentwicklung im Spiegel der Hirnforschung“ „Transfer-Evaluation“ im Verlag ‚besser wie gut‘

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