Margret Richter Dr. Margret Richter

Systemdenken

Mentale Modelle offenlegen und organisationales Lernen fördern

Dr. Margret Richter

Jeder Manager und Berater weiß, dass viele der besten Ideen nie verwirklicht werden. Die gängigen mentalen Modelle der Entscheider verhindern die Umsetzung. Mit Systemdenken können diese offengelegt und das organisa­tio­nale Denken gefördert werden.

Neue Einsichten werden nicht in die Praxis umgesetzt

Oft bleiben hervorragende Strategien graue Theorie. Ein Pilotexperiment beweist, dass ein neuer Ansatz zu besseren Ergebnissen führt. Trotzdem wird die neue Methode nie zur gängigen Praxis. Diese chronischen Missgeschicke werden nicht durch mangelnde Entschlossenheit oder schwachen Willen verursacht, sondern durch gängige mentale Modelle. Das sind tief verwurzelte innere Vorstellungen vom Wesen der Dinge. Neue Einsichten werden nicht in die Praxis umgesetzt, wenn sie den vertrauten Denk- und Handlungsweisen widersprechen.

Mentale Modelle bestimmen unsere Handlungen

Die mentalen Modelle eines Menschen bestimmen nicht nur, wie er die Welt interpretiert. Sie bestimmen auch seine Handlungen. Menschen handeln nicht immer in Übereinstimmung mit den von ihnen verkündeten Theorien. Sie handeln jedoch in Übereinstimmung mit ihren praktizierten Theorien, ihren mentalen Modellen. Das Entscheidende für ein Verständnis von mentalen Modellen ist, dass sie aktiv sind. Wenn jemand andere Menschen nicht für vertrauenswürdig hält, handelt er anders als wenn er ihnen Vertrauen schenkt. Mentale Modelle haben solch einen starken Einfluss auf das Tun, weil sie die Wahrnehmung beeinflussen. Wenn zwei Menschen mit unterschiedlichen mentalen Modellen dasselbe Ereignis beobachten, beschreiben sie es völlig unterschiedlich, weil sie auf andere Einzelheiten geachtet haben.

Probleme durch verborgene mentale Modelle

Ob mentale Modelle zu Problemen führen, hängt nicht davon ab, ob sie richtig oder falsch sind. Alle Modelle sind Vereinfachungen. Problematisch wird es, wenn die mentalen Modelle im Verbor­genen operieren, wenn sie unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle liegen. Wenn ein Unternehmen sagt: „Für unsere Kunden spielt die Servicequalität keine Rolle“, wird es den Service nicht ausbauen. Es hat nicht gesagt: „Nach unserem mentalen Modell spielt die Service­qualität keine Rolle.“ Wenn ein Geschäftsführer sagt: „Wir haben mit unseren Methoden in der Vergangenheit Erfolg gehabt und werden deshalb auch zukünftig damit arbeiten“, wird er nicht erkennen, dass man Probleme nie mit den Methoden lösen kann, durch die sie entstanden sind.

Wenn der Abstand zwischen den Denkmodellen und der Realität immer größer wird, nehmen die Misserfolge des Unternehmens zu. Es verliert Marktanteile.

Mit Systemdenken innere Bilder an die Oberfläche holen, überprüfen und verbessern

Es gibt immer nur Annahmen, keine Wahrheiten. Jeder sieht die Welt durch seine mentalen Modelle. Strukturen, die dem Menschen nicht bewusst sind, halten ihn gefangen. Wer lernt, die Strukturen wahrzunehmen, in denen er sich bewegt, befreit sich allmählich von den zuvor unerkannten Kräften und erlangt die Fähigkeit, produktiv mit diesen Strukturen zu arbeiten und sie zu ver­ändern. Mit Systemdenken können Menschen die inneren Bilder an die Oberfläche holen, überprüfen und verbessern. Das ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur lernenden Organisation.

Hinweise auf Chancen zu Veränderungen mit hoher und niedriger Hebelwirkung

Zu den wichtigsten Einsichten des System­denkens gehört, dass es bestimmte ständig wiederkehrende Strukturmuster gibt. Diese Systemarchetypen sind der Schlüssel, um die Strukturen und damit die Einflussmuster und mentalen Modelle im persönlichen Leben und in Unternehmen zu erkennen. Ihr Zweck besteht darin, die Wahrnehmung zu verändern, damit man die Wirkungsweise grundlegender Strukturen und die potentiellen Hebel in diesen Strukturen besser sehen kann. Wenn ein Systemarchetyp erkannt ist, wird auch deutlich, in welchen Bereichen Veränderungen mit hoher und niedriger Hebelwirkung möglich sind.

„Die Grenzen des Wachstums“ ist ein häufig vorkommender Archetyp. Die Struktur Wachstumsgrenzen trägt zu einem besseren Verständnis aller Situationen bei, in denen ein Wachstum auf Grenzen stößt. So wachsen zum Beispiel Unternehmen eine Zeitlang an und dann stoppt der Wachstumsprozess. Beispiel: Je mehr neue Produkte entwickelt und im Markt eingeführt werden, desto größer sind die Einnahmen und desto größer ist das F&E-Budget. Das ist ein sich verstärkender Prozess. Er erzeugt eine Erfolgs­spirale, aber auch unbeabsichtigte Nebeneffekte, die sich in einem ausgleichenden Prozess manifestieren und schließlich den Erfolg verlang­samen. Das Wachstum beim F&E-Budget führt zu einer derartigen Komplexität, dass die leitenden Ingenieure das Management nur bewältigen können, wenn sie kostbare Zeit von ihrer technischen Arbeit abzweigen. Dadurch verlangsamt sich die Einführung neuer Produkte und damit das allgemeine Wachstum (siehe Abbildung 1).

Wenn das mentale Modell des Unternehmens lautet: „Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um das Wachstum anzukurbeln“, startet es weitere Produktinitiativen, um aus der festgefahrenen Situation herauszukommen. So reagieren die meisten Menschen auf wachstumsbegrenzende Situationen und stellen nach geraumer Zeit fest, dass sie auf der Stelle treten.

Lösung = Hebel bei der Gleichgewichtsschleife ansetzen

In solchen Situationen muss man den Hebel bei der Gleichgewichtsschleife ansetzen und nicht bei der Verstärkungsschleife. Wenn man das Ver­halten des Systems ändern will, muss man den begrenzenden Faktor erkennen und ändern. Das kann bestimmte Maßnahmen erfordern, die man bislang nicht in Betracht gezogen hat, weil sie nicht zu den gängigen mentalen Modellen zählten. Damit die Produktentwicklung in einem expandierenden Unternehmen erfolgreich weiterläuft, muss man sich mit der wachsenden Managementbe­lastung auseinandersetzen, die eine zunehmend komplexe Forschungs- und Entwicklungsorganisation mit sich bringt. So können zum Beispiel qualifizierte Manager eingestellt werden, die wissen, wie man kreative Techniker führt. Oder sie können Managementkurse für Ingenieure veranstalten, die Interesse an Führungsauf­gaben haben.

Das Managementprinzip lautet deshalb: Treiben Sie nicht mit aller Kraft das Wachstum voran. Beseitigen Sie die Faktoren, die das Wachstum begrenzen.

Literaturtipps:

(1) Senge, P. M.: Die fünfte Disziplin, Klett-Cotta (1999).

 

Dr. rer. nat. Margret Richter studierte in Marburg Pharmazie. Sie hat mehrjährige Erfahrung in der Pharmaindustrie und als selbständige Apothekerin. Dr. Richter hat sich spezialisiert auf das Management komplexer Probleme und arbeitet seit mehr als 15 Jahren auf den Gebieten Vernetztes Denken, Biokybernetik, Systemtheorien und Evaluation. Als Inhaberin der SOLIDIA Komplexitäts­management hat sie ihre Schwerpunkte in den Gebieten Strategie, Veränderung und Evaluation.

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