Uwe Genz Dr. Uwe Genz

Die Überwindung kategorial geprägter Ausbildungsgänge

Master of Arts in Training

Das deutsche Bildungssystem wird unter anderem wegen seiner mangelnden Durchlässigkeit kritisiert. Bis zum Januar dieses Jahres benötigte man die allgemeine Hochschulreife, um an einer deutschen Universität zu studieren. Erst dann wurde von der Hochschulrektorenkonferenz die Möglichkeit geschaffen, beispielsweise auch mit einem Meisterabschluss ohne Abitur ein Studium zu beginnen. Allerdings ist in der Regel immer mit dem ersten Semester anzufangen. Außeruniversitär erworbene Fähigkeiten werden nicht oder nur marginal angerechnet.

Der Dachverband der Weiterbildungsorganisationen (DVWO) hat es sich zum Ziel gesetzt, speziell für Trainer einen Quereinstieg an die Hochschulen zu ermöglichen, unter Anrechnung bisher erbrachter Leistungen und Abschlüsse, bestenfalls den direkten Einstieg in ein Masterstudium, das zum „Master of Arts in Training“ führen kann. Dabei wird er vom Didacta Verband unterstützt.

Was soll der Masterstudiengang?

Dieser Studiengang soll die akademische Anbindung von außeruniversitär erworbenen Qualifikationen ermöglichen, d.h. eine Bewertung nach
Universitätsmaßstäben der vorgelegten Ausbildungen und Abschlüsse, unabhängig davon, ob ein allgemeiner Hochschulzugang nachgewiesen werden kann. Damit würde der angemessene Quereinstieg zur Universität gewährleistet, das Studium müsste nicht zwingend im ersten Semester beginnen.

Zum Hintergrund: Der sogenannte „Bologna-Prozess“ ist weitgehend abgeschlossen. Er hat dazu geführt, dass sich die deutschen Universitäten an die international gebräuchlichen akademischen Abschlüsse angepasst haben und nur noch den Bachelor und den Master vergeben. Dazu mussten sie sich ihre einzelnen Studiengänge von akkreditierten unabhängigen Unternehmen zertifi-zieren lassen. Inwieweit diese Umstellung von Erfolg gekrönt sein wird, ist noch immer in der Diskussion und ohne erhebliche Nachjustierungen wird es wohl nicht gehen. Eines ist aber vom Kern her erreicht worden: Die nach dem Bologna-Prozess zertifizierten Hochschulen können zumin-dest ihre Abschlussstandards europaweit miteinander vergleichen und anerkennen.

Was für den Hochschulbereich gilt, soll nun auch für die anderen Bildungsbereiche durchgesetzt werden. In Anlehnung an den Bologna-Prozess wurde von der Europäischen Kommission in Lissabon und in Kopenhagen ein ähnlicher Prozess für den Berufsbildungssektor in Gang gesetzt, der in der Verabschiedung des European Qualification Frame (EQF) gipfelte. Der EQF orien-tiert sich nicht an Bildungswegen, sondern an Leistungsergebnissen. Er kann dadurch Qualifika-tionen über Bildungssektoren hinweg vergleichbar machen und auf diese Weise den Weg bereiten, berufliche Abschlüsse mit universitären ins Verhältnis zu setzen. Es handelt sich praktisch um ein Übersetzungssystem. Dieses soll bis 2010 in nationalen Rahmen umgesetzt werden, in Deutschland in den Deutschen Qualifikationsrah-men (DQR). Diese nationalen Qualifikationsrahmen berücksichtigen nationale Besonderheiten der Bildungssysteme. Während einige europäische Staaten schon einen solchen nationalen Qualifikationsrahmen erarbeitet haben (so etwa Österreich und Frankreich), steckt man in Deutschland noch mitten im Prozess.

Kenntnisse, Kompetenzen und Fähigkeiten werden im EQF in acht Qualifikationsniveaus beschrieben, wobei ab Stufe fünf mit universitären Qualifikationsniveaus verglichen werden kann. Einher mit dem Stufensystem geht ein Punktesystem, angelehnt an das Punktesystem der Hochschulen, dem European Credit Transfer System (ECTS). In diesem Fall heißt es: European Credit System for Vocational Training and Education (ECVET).

Erfolgt die Zuordnung einer Person zu einem Niveau über Punkte, die für Lernergebnisse und Lernaufwand vergeben werden, so lassen sich die Niveaus unabhängig vom Bildungsgang und nationalen Besonderheiten miteinander vergleichen. Auf diese Weise wären berufliche Abschlüsse und außeruniversitär erworbenes Wissen mit universitärem vergleichbar. Ebenso wie man jetzt schon von einer europäischen Hochschule zu einer anderen wechseln kann, bei Anerkennung der Punkte und Abschlüsse, kann dann zukünftig auch mit beruflichem Hintergrund an die Hochschulen gewechselt werden.

Welche Hürden sind zu nehmen?

Haupthürde auf dem Weg dorthin ist die zertifi-zierte Stelle zur Umrechnung von ECVET- in ECTS-Punkte. In anderen europäischen Ländern wird dies bereits praktiziert und zwingt einen deutschen Interessenten bisher noch, ins Ausland auszuweichen. Zur Einrichtung einer solchen Stelle müsste eine deutsche Hochschule gewillt sein, andernfalls käme eine deutschsprachige ausländische Hochschule in Frage, die hier eine Dependance einrichten würde. Ausländische Hochschulen in Deutschland sind bekanntlich kein Novum.

Grundsätzlich haben sich alle Hochschulen mit denen wir in Verhandlung stehen, bereit erklärt, eine Zweigstelle zu eröffnen. Diese könnte im Rhein-Main-Gebiet entstehen an dem neuen Campus Dreieich - Haus des lebenslangen Lernens (www.hll-dreieich.de). Das bedeutet, dass wir den Ausbildungsgang in jedem Fall unabhän-gig vom eigentlichen Hochschulstandort durchfüh-ren und auch die „Umrechnungsstelle“ hier ansiedeln könnten. Der Campus hätte darüber hinaus den Charme, dass interessierte Trainerausbildungsinstitutionen mit der Hochschule Kooperationen eingehen und auf diese Weise ihre Lernmodule in den Masterstudiengang einbringen könnten.

Es sei dazu ausdrücklich erwähnt: Es geht nicht um die Verwässerung von Abschlussniveaus, sondern um eine angemessene Bewertung von Kompetenzen, Fähigkeiten und Kenntnissen. Die Ansprüche an das bisherige Niveau sind unbedingt zu erhalten.

Welche Auswirkungen hat dies auf den Weiterbildungs- und Fortbildungsmarkt und all die anderen Ausbildungsinstitutionen, die nicht dem Schul- und Hochschulbereich zuzuordnen sind?

Der EQF bietet die Chance einer viel engeren Zusammenarbeit von Hochschulen und anderen Ausbildungseinrichtungen. Eine solche Kooperation ist aber vom Grundsatz her nur möglich, wenn sich die Ausbildungsinstitutionen entsprechend zertifizieren lassen, um auf Augenhöhe mit Hochschulen zu verhandeln. Andererseits könnte dies zu einer erheblichen Entlastung der Hochschulen in der Lehre führen, da ohne weiteres ganze fachspezifische Module und übergreifende Kurse, sogenannte Softskills, außeruniversitär erbracht werden könnten bei entsprechender Prüfungsüberwachung.

Zusammenfassung

Auch in den neuen Systemen (Bologna / Kopenhagen-Prozess) liegen große Potenziale, wenn man sie kreativ einsetzt. Durchlässigkeit muss und darf nicht Qualitätsminderung heißen, ganz im Gegenteil: Zertifizierung soll Standards setzen und ihren Erhalt sichern, nötigenfalls auch die Standards nachbessern.
In Anbetracht des demographischen Wandels und der in vielen Bereichen verpassten Integration von Personen mit Migrationshintergrund, ist Durchlässigkeit der Bildungssysteme zu schaffen ein wirtschaftlich notwendiges und ethisch zu forderndes Gebot. Der DVWO und der Didacta Verband wollen ihren Beitrag dazu leisten.
 

DVWO Dachverband der Weiterbildungsorganisationen e.V.
Präsident 
Dr. Uwe Genz
Quellenweg 15
D-63303 Dreieich
Tel. 06103-68874
praesident@dvwo.de
www.dvwo.de

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