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Der lange Schatten Mobbing

Karina Müller

Eine Inhouse-Veranstaltung wie viele: aktuelles Thema, angemessen große Gruppe, die Orga läuft gut. Doch da ist diese fragile, verunsicherte Stimmung. In der Pause zieht sich eine eher stille Teilnehmerin zurück und ist erst wieder im Seminar, als die Pause endet. Sie vermeidet Kontakt zu den Kollegen und bemüht sich um Geschäftigkeit. Und es bilden sich viele kleine Grüppchen, die keinen Kontakt untereinander haben.

Nach der Veranstaltung – ein Abschlussgespräch und die Frage: Wie war die Stimmung unter den Kollegen? Ich lasse mir den Hintergrund schildern und erfahre, dass es immer öfter „schlechte Stimmung“, und einen steigenden Krankenstand in der Abteilung gibt. Zwei Mitarbeiter baten um ein Zwischenzeugnis. Mein ungutes Gefühl nimmt Form an.

Bei Mobbing geht es nicht um eine fehlgelaufene Kommunikation

Mobbing wird häufig als „konflikthafter Verlauf von Kommunikation“ beschrieben. Doch diese Beschreibung lässt die Ungleichheit der Beteiligten vermissen – bei Mobbing geht es um Opfer und Täter, nicht um eine fehlgelaufene Kommunikation. Da Mobbing nicht messbar und meist nicht nachweisbar ist, hat sich inzwischen eine Leitlinie etabliert, die Unterstützung bieten soll, doch einen zynischen Beigeschmack hat: Mobbing ist, wenn eine Person/Personengruppe, eine andere Person/Personengruppe schikaniert, mindestens einmal in der Woche, über einen Zeitraum von sechs Monaten. Opfern die diese Zeit überstehen, bleibt noch die Hürde der Beweisbarkeit.

Opfer schweigen in der Regel, weil sie sich selbst schuldig fühlen

Zu Beginn kommt es nicht zu gravierenden Mobbingattacken. Täter vergewissern sich, bewusst oder unbewusst, der Zustimmung des Umfelds: Gibt es Widerspruch? Wie verhalten sich Kollegen und Opfer?

Doch Opfer schweigen in der Regel. Denn ausgegrenzt, schikaniert, lächerlich gemacht werden, trifft den wunden Punkt von Scham und die Verunsicherung, Schuld an dem Geschehen zu sein. Es bedarf als Coach Feingefühl und Beharrlichkeit Mobbingopfer aus der Schuldfalle zu holen und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Es gibt keine Unbeteiligten bei Mobbing – letztlich ist immer das ganze Team involviert

Das Opfer schweigt und hofft die Situation ändert sich. Und die Kollegen? Es gibt keine Unbeteiligten bei Mobbing. Außer Opfer und Täter spielen die Mitläufer eine große Rolle - Personen, die keine eigenständigen Attacken inszenieren, sich aber zu kleineren Vergehen anstiften lassen und sich verbunden mit den Täter geben. So auch in dem eingangs geschilderten Fall: die gemobbte Mitarbeiterin hat aufgrund einer chronischen Erkrankung eine wiederkehrende hohe Fehlzeit durch Krankschreibungen aufzuweisen. Die anfallende Arbeit sollte von den Kollegen übernommen werden und der eine oder andere Urlaub konnte nicht wie gewünscht genehmigt werden. Nach über einem Jahr fühlten sich einige wenige Kollegen berechtigt „die Sache selbst in die Hand zu nehmen“, denn der Aufforderung zu kündigen kam die erkrankte Kollegin nicht nach. So kam es zu ersten Attacken, die rasch durch Mitläufer gestützt wurden.

Auch die Zuschauer sind auf ihre Art beteiligt und teilen sich in zustimmend und passiv. Die zustimmend Zuschauenden lassen sich zwar nicht zur aktiven Beteiligung verleiten, zeigen allerdings ihr Einverständnis. Möglicherweise sind sie mit dem Vorgehen gegen das Opfer einverstanden oder
befürchten bei Widerspruch auch in den Fokus der Mobber zu geraten. Doch auch die passiven Zuschauer sind beteiligt, indem sie sich nicht äußern, keine Missbilligung zeigen, nicht das Opfer unterstützen. Letztendlich ist bei Mobbing immer das gesamte Team involviert: die Atmosphäre ist vergiftet und das Vertrauen, in Kollegen und Vorgesetzte, zerstört.

Mobbing geschieht immer als Prozess

Mobbing geschieht immer als Prozess und beginnt in der Regel mit scheinbar weniger gravierenden Attacken, wie nicht aussprechen lassen oder einen Scherz auf Kosten von Kollegen machen. Die eigene Verstrickung wird Teil dieses Prozesses und irgendwann ist der gefühlte richtige Zeitpunkt Position gegen das Vorgehen der Täter zu beziehen, überschritten oder die eigene Angst zu groß.

In der geschilderten Situation war die Strategie der Führungskraft ein Seminar anzubieten (`Konfliktpotential Stress´) und mit mir als Trainerin und Coach im Anschluss über die „Stimmung“ zu sprechen, gegebenenfalls Coaching für die betroffene Abteilung anzubieten.

Doch ist Mobbing nicht auch eine Führungsschwäche?

Ich denke, der Frage kann man sich nähern, indem man sich weitere Fragen stellt. In diesem Fall: Wie sicher / berechtigt fühlen sich die Täter bei ihren Vergehen? Warum wurde der hohe Krankenstand nicht thematisiert? Warum wurde die Mehrbelastung der Mitarbeiter durch den wiederkehrenden Ausfall einer Kollegin nicht thematisiert? Und: Warum hat niemand das Gespräch mit Vorgesetzten gesucht?

Oft erlebe ich Führungskräfte bei dem Thema Mobbing überfordert. Niemand möchte Mobbing­vorfälle in seinem Bereich und der Wunsch, die Situation möge sich von selbst regeln, ist genauso verständlich, wie utopisch.

Warnsignale für die Erkrankung eines Teams am Virus Mobbing

Doch gibt es Warnsignale? Sicherlich ist ein hoher Krankenstand ein Signal. Wie auch Desinteresse an Betriebsfeiern und internen Fortbildungen. Auch die Cliquenbildung mit dichten Grenzen nach außen und eine radikale Konkurrenz im Team sollten den Handlungsbedarf sehen lassen. Weiterhin der Eindruck, dass sich niemand für Missstände verantwortlich fühlt und die Kommunikation untereinander dürftig ist. Und auch das Bauchgefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist...

Ein gesundes Team erkrankt so rasch nicht am „Virus Mobbing“, auch die Vorgeschichte ist entscheidend. Unzufriedenheit und ungelöste Konflikte entladen sich in Mobbing und nicht immer hat das Opfer mit der Vorgeschichte zu tun.

Mobbing-Prävention bedeutet, achtsam zu sein gegenüber verletzenden Scherzen und Ver­haltensänderungen von Mitarbeitern. Achtsam zu sein bei steigender Belastung, wie Mehrarbeit, dünner Personaldecke, betriebsbedingten Kündigungen etc.

Auch Angebote im Bereich Stressprävention, Konfliktmanagement, Teambildung sind unerlässlich.

In dem hier herangezogenen Beispiel kündigten drei Mitarbeiter in der folgenden Zeit. Weitere Mitarbeiter baten um Versetzung. Coaching wurde eingeführt und nach einem Jahr wurde das Thema vom Team erneut thematisiert. Die Verarbeitung eigener Ängste und die Irritation über eigenes Verhalten braucht Zeit.

Weitere Informationen

Interessante Infos, wie Zahlen und Statistiken zum Thema `Mobbing´, findet Ihr auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Dort könnt Ihr bspw. den `Mobbing-Report´(eine Repräsentativstudie) downloaden.

www.baua.de 

Die Autorin

Karina Müller arbeitet seit über 20 Jahren erfolgreich selbstständig als Coach, Trainerin und Mediatorin. Sie ist Coach, Businesscoach und Lehrcoach, Entspannungspädagogin, Mediatorin und NLP-Master. Zahlreiche Fortbildungen und Lizensierungen in unterschiedlichen Bereichen, wie gewaltfreie Kommunikation, Aufstellungsarbeit etc. runden ihre Arbeit ab. 1999 gründete sie das Institut -praxis- indem sie u.a. vielfältige Ausbildungen (beispielsweise zum Entspannungspädagogen, Trainer für Stressmanagement, Coach und Konflikttrainer) anbietet. Nach dem Motto „Wenn Muster durchbrochen werden, entstehen neue Welten“, begleitet sie Unternehmen, Organisationen, Teams und Einzelpersonen und ist besonders gefragt in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung, Führungskräftetraining und Burnout-Prävention.

-praxis-
Institut für Coaching, Entspannungspädagogik und Mediation
Karina Müller
Dortmunder Str. 383a
44577 Castrop-Rauxel
Tel. 02305.12055
info@institut-karina-mueller.de
www.institut-karina-mueller.de 

Vom Herausgeber des TrainerJournals wurde von wegen der besseren Lesbarkeit auf die Nennung der weiblichen Form mit "innen" verzichtet, auch wenn ich es anders lieber gehabt hätte. Liebe KollegInnen: Ihr seid alle gemeint, auch die Kolleginnen!

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