Jürgen Graf Jürgen Graf

Trendanalyse 2010

Zwischen Aha-Effekt und Effektivität

Jürgen Graf

 

Effektive Trainingsmaßnahmen und nachhaltigen Lerntransfer wünschen sich Weiterbildungsanbieter wie Auftraggeber. Doch in der Zusammenarbeit bleibt dieses Anliegen häufig auf der Strecke, man setzt auf „Business as usual”.

„Die Kunden sind ‚wissender'. Was thematisch vor einigen Jahren noch ein ‚Aha-Effekt' war, ist heute für viele ein alter Hut.” Die Erfahrung einer Trainerin, die sich an der jährlichen Trendanalyse des Verlags managerSeminare beteiligte, wirft ein interessantes Schlaglicht auf die Zusammenarbeit zwischen Weiterbildungsanbietern und Unternehmen. Zweifellos sind Aha-Effekte das Salz in der Suppe erfolgreichen Lernens. Doch ist den Unternehmen der Effekt schon wichtiger als die Effektivität einer Maßnahme?

Fakt ist: Mit spektakulär neuen Themen weiß die Weiterbildungsbranche nicht zu reüssieren. Fasst man das Meinungsbild der 72 Unternehmen zusammen, die sich neben den 729 Trainern an der Umfrage beteiligten, so legen diese vor allem Wert auf eine Kosten-/Nutzen-Optimierung und höhere Nachhaltigkeit der Weiterbildungsmaßnahmen. Neue Inhalte braucht man dafür nicht. Erforderlich ist vielmehr eine engere organisatorische Einbindung in die eigentlichen Arbeitsprozesse vor Ort. Auch das klingt weder neu noch spektakulär – sondern schlichtweg plausibel. Und doch beginnt genau hier das Dilemma, denn um Auftraggeber und Teilnehmer für diese Kärrnerarbeit gewinnen zu können, sind Aha-Effekte sehr wohl vonnöten: ein schneller Erfolg, ein messbares Ergebnis. „Bei weniger Budget wird die Frage nach dem ‚Was bringt’s?’ immer wichtiger”, formuliert es salopp, aber treffend ein befragter Personalentwickler.

Der Dreisatz effizienter Weiterbildung: Digitalisierung, Fokussierung, Optimierung

Weiterbildungsanbieter sind hier herausgefordert und bewegen sich zugleich auf einem schmalen Grat: Schnelle Effekte und hohe Effektivität sind nicht so ohne weiteres unter einen Hut zu bringen. Die Unternehmen setzen ihre Hoffnungen auf die Digitalisierung, Fokussierung und Optimierung des Wirkungsgrades. Blended-Learning und Webinare sind immer häufiger die erste Wahl, wenn es gilt, aktuelles Fachwissen an die Mitarbeiter zu vermitteln. Und nicht nur dort: „Auch bei ‚weichen’ Themen wie Führung,

Führen von Feedback-Gesprächen oder Kollegiale Beratung kommt inzwischen deutlich mehr ‚Blended-Learning’ zum Einsatz”, so die Trainingsmanagerin eines großen Autovermieters.

Die Fokussierung auf Zielgruppen wie Führungskräfte, Projektverantwortliche oder Teams ist ebenfalls eine häufig verfolgte Strategie bei knapp kalkulierten Weiterbildungsbudgets. Bei der Erhöhung des Wirkungsgrades der Weiterbildungsmaßnahmen steht die gezielte Kompetenzentwicklung mit konkretem Bezug zum Tagesgeschäft im Vordergrund. 

Lernen am Arbeitsplatz oder sparen am Trainer?

Das große Manko liegt indes in der praktischen Umsetzung. „Häufig ist durch Stress kaum eine sinnvolle Planung von PE-Maßnahmen möglich”, konstatiert der Leiter einer Management-Akademie. So müssten Unternehmen für ein funktionierendes Learning on the job auch konsequent entsprechende Ressourcen bereitstellen. Doch genau diesen Aufwand scheuen Unternehmen. Viele Maßnahmen, die intern als arbeitsplatznahes Lernen ‚verkauft’ werden, sind letztlich das Ergebnis von schlichten Mittelkürzungen, kritisiert eine Trainerin: „Unternehmen setzen interne PE’ler in Maßnahmen ein, für die sie eigentlich nicht qualifiziert sind, um externe Trainer zu ‚sparen'. Der Qualität dient das nicht.”

Abb. 1: Für welche Aufgaben Weiterbildungsanbieter ihre Arbeitszeit verwenden (Angaben in %)

Dass die Unternehmen das Know-how der Weiterbildungsanbieter nur sehr zurückhaltend in Anspruch nehmen, um ihre internen Prozesse zu optimieren, belegen die Zahlen der Trendanalyse eindrücklich. Lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen zieht Weiterbildungsanbieter regel¬mäßig oder häufig als Berater in Fragen der Personal- und Organisationsentwicklung hinzu (siehe Abb. 1). Bei der Konzeption der Weiterbildungsmaßnahmen setzen nur knapp 30 Prozent des Öfteren auf fremde Expertise: Sechs Prozent tun dies regelmäßig, rund 23 Prozent häufig. Und lediglich jedes vierte der befragten Unternehmen betraut externe Weiterbildungsanbieter regelmäßig oder häufig mit der Erstellung von Lernmedien und Schulungsunterlagen.

Trainer-Business as usual?

Stiefkind der Zusammenarbeit bleibt die Evaluation. Lediglich jedes zehnte der befragten Unternehmen greift hierfür regelmäßig oder häufig auf externe Dienstleister zurück. „Nachhaltigkeit scheint man zu wollen, aber bitte ohne großen Aufwand”, fasst eine Beraterin das Selbstverständnis der Unternehmen zusammen. Somit bewegt sich die Zusammenarbeit auf vertrautem Terrain: Drei von vier Betrieben beauftragen Weiterbildungsanbieter regelmäßig oder häufig mit der unmittelbaren Durchführung von Schulungen und Trainings – ein seit Jahren nahezu konstanter Wert.

Auch die Aufgabenbereiche der Weiterbildungsanbieter zeichnen sich hinsichtlich ihres Zeit- und Arbeitsaufwands durch Kontinuität aus. Hierbei konstatieren die Weiterbildungsanbieter, dass sie gerade noch ein knappes Drittel der Arbeitszeit ihrem eigentlichen Kerngeschäft – Schulung und Training widmen (siehe Abb.2). Der Aufwand für alle Begleitaufgaben rund um die Schulung – Beratung, Konzeption, Medienerstellung und Evaluation – liegt mit 41 Prozent deutlich darüber. Ob nun Seminare einfach nur kürzer und komprimierter werden sollen oder lediglich als ein Element in einem individuell zugeschnittenen Lernarrangement fungieren – für Weiterbildungsanbieter zieht dies in jedem Fall Mehrarbeit nach sich: Der administrative Aufwand pro Maßnahme bleibt gleich, der konzeptionelle Aufwand steigt meist sogar, da Seminardesigns auf die spezifischen Anforderungen zugeschneidert werden müssen. 

Abb. 2: Für welche Aufgaben Unternehmen die Hilfe externer Weiterbildungsanbieter in Anspruch nehmen (Angaben in %)

„Unternehmen binden uns immer intensiver in ihre internen Prozesse ein, um noch individuellere Leistungen zu erhalten”, lautet der typische O-Ton eines Weiterbildungsanbieters. Das ist eine bemerkenswerte Aussage eingedenk der Tatsache, dass sich die Auftraggeber einerseits wirkungsvollere Weiterbildungsmaßnahmen wünschen, andererseits dann doch nur das „Business as usual” mit den Bildungsanbietern abwickeln. Stellt sich die Frage: Wollen die Unternehmen ihre Weiterbildungsmaßnahmen optimieren – oder lediglich die Zusammenarbeit mit den Weiterbildungsanbietern?

Jürgen Graf, Jg. 1966, arbeitet seit 1990 als Redakteur und Lektor bei der managerSeminare Verlags GmbH, Bonn, und ist Herausgeber des Jahrbuchs „Seminare” sowie Autor der „Weiterbildungsszene Deutschland”.

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Das Buch zum Artikel:

Jürgen Graf
Weiterbildungsszene
Deutschland 2011
146 Seiten, 89,90 Euro

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