Ulrich Wiek

Das eigene Profil schärfen (1)

Werteorientierung: Chancen und Risiken

Dr. Ulrich Wiek

Werteorientierung – hat jeder. Warum also darüber nachdenken und sprechen? Was bringt es Trainern und Beratern, sich mit den eigenen Werten zu beschäftigen und sich dazu gegenüber Kunden oder Teilnehmern zu äußern?

Im ersten Teil geht es um die persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Werten. Der zweite Teil des Artikels erscheint in der nächsten Ausgabe. Dort wird die Frage erörtert, welche Chancen und Risiken sich dadurch ergeben können, die eigene Werteorientierung bewusst nach außen zu kommunizieren.

Wie kann eine persönliche Beschäftigung mit dem Thema Werte für Trainer konkret aussehen?

Sich der eigenen Werteorientierung zu nähern hat sicherlich einen kognitiven Teil: es ist ein Prozess des Nachdenkens. Die eigenen Werte können wir „entdecken" durch Fragen an uns selbst: Was ist mir wichtig? Wie will ich sein? Was ist für mich sinnvoll?

Manchmal hilft aber auch die negative Abgrenzung: Was sind meine „Un-Werte"? Was ist mir eher unwichtig? Was lehne ich ab? Wie möchte ich nicht sein? Wie möchte ich von Freunden, Kollegen, ... nicht beschrieben werden?

Jede kognitive Wertereflexion unterliegt jedoch auch der Gefahr, „sich selbst etwas vorzumachen". Das „sozial Erwünschte" kann in diesem Prozess des Nachdenkens Oberhand bekommen. Deshalb ist es sinnvoll, neben dem „Denken" auch das „Beobachten" und „Fühlen" in die Wertereflexion einfließen zu lassen. Hierzu eine Anregung:

Sich selbst und anderen die „Wertebrille" aufsetzen

Nehmen Sie sich einige typische Unterlagen zur Hand, die Sie erstellt haben; z.B. Emails, PowerPoint-Folien, Seminarunterlagen, Ihre Homepage. Setzen Sie sich dann sinnbildlich eine starke „Wertebrille" auf. Schauen Sie auf Ihre Unterlagen allein mit dem Fokus: Welche Werte kann ich „erkennen"? Welche Werte fühle ich beim Betrachten und Lesen meiner Materialen? Dabei geht es um Worte und Inhalte aber auch um Form(en), Farben, Materialien etc. Notieren Sie sich alles, was Ihnen spontan zu dieser Frage auffällt.

Hilfreich und sehr aufschlussreich ist es, andere Menschen zu bitten, dasselbe mit Ihren Unterlagen zu tun (z.B. als Wahrnehmungs- / Reflexions-Übung für Ihre Trainingsteilnehmenden).

Sich in einer solchen Form mit der eigenen Werteorientierung auseinanderzusetzen, wird nicht ohne Auswirkungen bleiben.

Die eigenen Werte reflektieren: Welche Chancen und Vorteile sind möglich?

Wenn wir persönlich intensiv darüber nachdenken und erspüren, was uns wichtig ist, werden innere aber auch nach außen wirkende Prozesse ausgelöst.

Chancen und Vorteile nach innen:

a. Klarheit: Schärfung des eigenen Profils zunächst für sich selbst.

b. Besseres Selbstverständnis: Sich-selbst-bewusster-werden, sich selbst besser kennenlernen und einschätzen können.

c. Entscheidungshilfe: Kriterien, Maßstäbe in Entscheidungssituationen.

d. Sicherheit: auch in komplexen, schwierigen, widersprüchlichen Situationen.

e. Orientierung: Ich kann gezielter nach dem suchen, was mir wichtig ist.

f. Wohlbefinden: Das „Ausleben der eigenen Werte" fühlt sich gut an und ist insofern auch gesund (kein schlechtes Gefühl oder „Gewissensbisse").

g. Persönliches Wachstum: Ich erkenne deutlicher, wo Handlungs- und Entwicklungsbedarf besteht (was muss ich tun, um meine Werte noch stärker leben zu können?), ich kann als Persönlichkeit wachsen.

h. Kooperationspartnersuche: Ich kann besser „Gleichgesinnte" suchen.

Chancen und Vorteile nach außen:

i. Authentischere Wirkung: Ich wirke u.U. sicherer, selbstbewusster. Eine echte Identität wird erkennbarer.

j. Begeisterung: Wenn ich erkenne, was wirklich wichtig für mich ist, erzeugt dies häufig eine viel stärkere Strahlkraft nach außen.

k. Wertschätzung: Als authentischer, „geerdeter" Mensch werde ich von anderen wertgeschätzt und respektiert.

l. Sicherheit für Mitmenschen: Ich werde für andere berechenbarer, zuverlässiger, da mein Verhalten konsistenter wirkt („Der weiß, was er will und was nicht").

m. Geringeres Konfliktpotenzial: Die „Spielregeln" sind offensichtlicher („Bei dem weiß man, was geht und was nicht.").

... Ihnen werden sicherlich noch weitere Aspekte einfallen.

Welche Risiken und Nachteile sind denkbar?

Es ist mir hier ein zentrales Anliegen, eine realistische Betrachtung anzustoßen. Dazu gehört eben auch der Blick auf die „Schattenseite". Sich mit den eigenen Werten zu beschäftigen, birgt auch Risiken und konkrete Nachteile:

Nach innen:

a. Zeitbedarf: Die Auseinandersetzung, das Nachdenken über meine eigenen Werte, das Erspüren und auch Erfühlen, kostet Zeit.

b. Anstrengung: Es kann sich auch anstrengend anfühlen; Situationen, die eigentlich ganz klar erschienen, können auf einmal „schwierig" oder komplex werden.

c. Ablehnung: Vielleicht führt die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten auch zu Entscheidungen, die Nachteile für mich haben („nein, diesen Auftrag nehme ich nicht an", „mit diesem Kollegen arbeite ich nicht zusammen").

d. Schlechtes Gewissen: Werte können mich auch blockieren, wenn ich meinen eigenen Werten nicht folgen kann. Es kann mir ein „schlechtes Gewissen" bescheren.

e. Selbstzweifel: Ich erkenne manchmal dabei auch eigene „Unzulänglichkeiten" und diese Erkenntnis kann weh tun.

Nach außen:

f. Irritation: Die „innere Zerrissenheit" zeigt sich vielleicht auch nach außen, ich wirke u.U. weniger überzeugt (von mir), unentschlossen, ...

g. Introvertiert: Es kann sein, dass die „Anstrengung" der Reflexion auch erkennbar wird, ich wirke dann als Trainer vielleicht „nachdenklicher".

h. Unbequemer: Eventuell betrachte ich andere nach einer Wertereflexion auch kritischer und wirke dadurch auf andere „anstrengender" „komplizierter".

i. ...

Und jetzt? ... haben Sie die Möglichkeit zu entscheiden, was Ihnen wichtig(er) ist.

 

Im zweiten Teil in der nächsten Ausgabe schauen wir auf die Chancen und Risiken einer offenen Kommunikation über die eigene Werteorientierung.

Ich freue mich übrigens über Kommentare, Anregungen, Kritik ... eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Kommen Sie gerne auf mich zu.

 

Dr. Ulrich Wiek

ist Vizepräsident des Forum Werteorientierung in der Weiterbildung e.V. Seit 1999 arbeitet er als Trainer, Berater, Coach für Kommunikation und Führung. Die Orientierung an Werten ist für ihn dabei eine permanente Herausforderung und Bereicherung.

Ulrich Wiek ist seit vielen Jahren Mitglied beim Trainertreffen Deutschland, dem BDVT, der DGSL und GABAL.

Dr. Ulrich Wiek
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